Er begann als Kandidat bei "The Voice of Germany" und schaffte mit dem ESC den Durchbruch: Musiker Michael Schulte spricht im Interview über sein neues Album "Remember Me", seine Kinder und seine Sorgen um das gesellschaftliche Klima in Deutschland.
Herr Schulte, im Text zum Song "Remember Me" auf Ihrem neuen Album stellen Sie sich selbst die große Frage, was am Ende von Ihnen bleibt. Warum sind Sie bereits im jungen Alter von 33 Jahren so nachdenklich? So war ich eigentlich immer schon und von meinem Grundnaturell her bin ich ein sehr melancholischer Mensch. Ich habe diesen Song vor zwei Jahren geschrieben, als ich wieder mal über meinen Papa nachgedacht habe, der starb, als ich erst 14 Jahre alt war. Themen wie Vergänglichkeit, Loslassen und das persönliche Vermächtnis sind seitdem in meinem Kopf immer wieder präsent.
Wie regelmäßig denken Sie heute noch an Ihren Vater? Leider nicht mehr so oft, wie ich es mir wünschen würde! Aber als junger Familienvater mit zwei kleinen Kindern und einem ebenso tollen wie fordernden Beruf fehlt mir heute einfach oft die Ruhe, um so regelmäßig an ihn zu denken, wie in den ersten Jahren nach seinem Tod. Manche Erinnerung verblasst deshalb langsam.
Deshalb auch die Frage, wie es einmal nach Ihrem Tod sein wird? Ganz genau! Die große Frage, was wohl sein wird, wenn ich nicht mehr auf dieser Welt bin und wie lange meine Kinder noch an mich denken werden. Aber auch die Frage danach, ob meine Musik dann immer noch gehört oder in Vergessenheit geraten wird.
"More To This Life" ist ein Album-Track, den Sie gemeinsam mit Max Giesinger aufgenommen haben, mit dem Sie seit Jahren befreundet sind. Was macht Ihre Freundschaft zu Max heute aus? Wir haben uns vor zwölf Jahren in der ersten Staffel von "The Voice Of Germany" kennengelernt und damals standen wir beide in ähnlichen Lebensphasen: Wir wohnten beide noch zu Hause bei der Mutter und hatten beide den gleichen Traum. Spätestens das Leben in unserer Hamburger Männer-WG hat uns endgültig zusammengeschweißt. Auch wenn wir uns nicht mehr so oft sehen können, was allein schon daran liegt, dass ich mit meiner Familie auf dem Land lebe, zählt Max bis heute zu meinen wenigen wirklich engen Freunden, denen ich blind vertraue und mit denen ich mich auch wortlos immer hundertprozentig verstehe.
Gab es eine Phase, in der Sie vor dem endgültigen Durchbruch durch die ESC-Teilnahme mit dem Gedanken gespielt hatten, alles hinzuwerfen? Nein, ich wollte immer Musik machen – auch wenn ich damit kein Geld verdiene. Aber klar gab es nach der ersten Euphorie nach "The Voice Of Germany" sehr frustrierende Momente: Zum Beispiel als ich meine Tour absagen musste, weil zu wenig Tickets verkauft wurden oder mir Leute sagten, dass sie mich für einen der besten Sänger Deutschlands halten – ich aber rein kommerziell absolut keinen Erfolg hatte.
Wie haben Sie sich in der Zeit finanziell über Wasser gehalten? Neben meinem Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften habe ich damals eine Influencer-Agentur mit aufgebaut, was mir extrem viel Spaß gemacht und auch gut Geld eingebracht hat. Ich war damals total mit mir im Reinen und habe nicht mehr so verbissen auf den Durchbruch hingearbeitet. Ich war fein mit dem Gedanken, dass es sogar gar nicht mehr klappen könnte. Vielleicht war es gerade wichtig und gut, loszulassen. Denn dann kam 2018 meine Teilnahme beim ESC und stellte mein Leben komplett auf den Kopf. Es ist so, wie ich es im Song "Waterfall" singe: Gib dich dem Fluss des Lebens hin – dann kann am Ende alles gut werden.
Stichwort Familie. Wie schnell sind Sie in die Rolle des Familienvaters hineingewachsen? Am Anfang war ich schon ein wenig überwältigt, da ich in eine komplett neue Lebenssituation hineinkatapultiert wurde. Aber meine Frau und ich haben uns dann recht schnell in die neuen Rollen eingegroovt. Vater zu sein, ist gleichzeitig das Schönste und Anstrengendste auf der Welt! Du musst dich von alten Gewohnheiten verabschieden, viele Abstriche machen und zwei kleine Kinder sind natürlich auch eine Belastungsprobe für jede Beziehung. Aber inzwischen sind wir Vier ein top eingespieltes Team.
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Wie gehen Sie damit um, wenn die Kids mal ihre Grenzen austesten wollen? Ich versuche es, mit der nötigen Gelassenheit zu nehmen. Wobei Luis eigentlich meistens sowieso total lieb und umgänglich ist. Lenny dagegen hat es faustdick hinter den Ohren. Der ist manchmal schon ein richtiger kleiner Troublemaker, der selten die Gelegenheit auslässt, um seinen Bruder zu ärgern. Generell ist die Bewältigung von explosiven Familien-Situationen zuweilen natürlich eine besondere Herausforderung. Ich bin ja kein ausgebildeter Pädagoge und musste für mich erst einmal selbst herausfinden, wie ich mich dann am Besten verhalte.
Was halten Sie von genderneutraler Erziehung, bei der Kinder frei von Geschlechterklischees aufwachsen? Mit diesem Thema habe ich mich im Detail noch nie beschäftigt, deshalb kann ich dazu auch nur bedingt etwas sagen. Insgesamt ist mir der Ton bei solchen Themen – auch beim Gendern – ein wenig zu scharf und missionierend. Grundsätzlich sind meine Frau und ich aber komplett entspannt und lassen unsere Jungs sich einfach ausprobieren.
Und das sieht dann konkret wie aus? Luis bastelt unfassbar gerne und auf seinem Basteltisch darf es dabei sehr gerne auch sehr bunt und sehr glitzerig sein. Und Lenny wollte gerne einen kleinen Kinderwagen mit einem Baby haben. Das ist ja ein Spielzeug, das man eher mit einem Mädchen assoziiert – aber Lenny hat es sich nun mal gewünscht. So richtig spannend fand er Baby und Kinderwagen dann aber auch nur für einen Monat. Wir machen uns da gar keine großen Gedanken und ich finde, dass wir uns alle wieder ein wenig lockerer machen und nicht überdramatisieren sollten.
Wie empfinden Sie das aktuelle gesellschaftliche Klima? Ich wohne ja zum Glück auf dem Land, wo die Welt tatsächlich weitaus mehr in Ordnung ist als in der Großstadt. Trotzdem bereitet mir die immer stärker werdende Spaltung Kopfschmerzen. Diese latent aggressive Stimmung, emotionale Aufgeladenheit, diese Verbissenheit, diese Lagerbildung… Ich finde es schwierig, dass sich immer weniger Menschen trauen, ihre ungefilterte Meinung zu sagen – aus lauter Angst, dass sie etwas Falsches sagen könnten oder etwas, das von anderen Menschen falsch aufgenommen wird.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Es wäre schön, wenn die Menschen wieder lernen würden, auch andere Meinungen und Einstellungen auszuhalten, ohne dass alle sofort verbal aufeinander einprügeln, wenn die Meinung nicht dem eigenen Narrativ entspricht. Ich fand es in diesem Zusammenhang auch schwierig, wie in der Corona-Zeit teilweise mit Menschen umgegangen wurde, die manche Entscheidungen und Vorgaben der Regierung hinterfragt haben. Nur weil man eventuell anderer Meinung ist, ist man deshalb ja nicht gleich ein Corona-Leugner oder Verschwörungstheoretiker.