"Du wurdest ausgewählt, um am Ticketverkauf der Taylor Swift | The Eras Tour teilzunehmen." 13 Wörter – natürlich – die ausreichen, um den Herzschlag eines jeden "Swiftie" für eine Sekunde aussetzen zu lassen. Sechs Versuche hatten meine Freundin und ich, um an wenigstens zwei der heißbegehrten Tickets zu kommen.
Warum sechs? Weil der Vorverkauf in den USA in einem großen Fiasko endete, überarbeiteten die großen Ticketplattformen das System für die Tour von Taylor Swift. Fans mussten sich im Juni registrieren, um zum Vorverkauf der Europa-Tour zugelassen zu werden. Dann wurden einigen Glücklichen Codes zugelost. Mit diesen konnte man versuchen, Tickets für die Städte zu kaufen, für die man sich vorher registriert hatte. In unserem Fall: Lyon in Frankreich, Gelsenkirchen, Hamburg und München. Das Verfahren klingt absurd. Ist es auch.
You need to calm down, sage ich mir immer wieder.
Dienstag, der 11. Juli. Meine Freundin und ihre Schwester haben einen Code für Lyon ergattert – also zwei Versuche für uns. Stunden vorher ist alles fertig: der Code, mein Laptop (am Ladekabel), meine Kreditkartendaten (schon abgetippt), meine Nerven. Wenn es ernst wird, muss es schnell gehen. Sekundenschnell.
Über Whatsapp tauschen wir uns aus. Es geht um unser Budget, die perfekten Plätze, die Organisation für eine mögliche Reise nach Lyon. Schon während wir auf den Beginn des Ticketverkaufs warten, hängt sich die Website immer wieder auf. Mehrfach wird meine Freundin aus ihrem Account gekickt, muss sich neu anmelden. Dann schlägt es 13 Uhr – und pünktlich dazu die Info: Sämtliche Server der Ticketplattform in Frankreich sind zusammengebrochen. Zeitgleich sollen bis zu 700.000 Menschen in der Warteschlange gewesen sein, als wäre eine Stadt von der Größe Frankfurts auf der Jagd nach Taylor Swift-Tickets, allein für dieses Konzert. Der Verkauf in Frankreich wird vorerst abgebrochen und verschoben. Wir gehen leer aus, wie alle anderen Swifties auch.
Wir sprechen uns Mut zu. Schließlich haben wir am Mittwoch noch Versuche und Codes für die deutschen Städte – es ist noch nicht vorbei.

Come on, don't leave me like this!
Taylor Swift ist aktuell wohl einer der größten Popstars unserer Zeit. Im wahren Leben mit 1,80 Meter schon nicht klein, durch ihre Kunst aber überlebensgroß. Mit ihren Texten spricht sie einer ganzen Generation aus dem Herzen, jedes Album eine eigene Ära – daher "The Eras Tour". Sie zoffte sich im Alleingang mit der Streamingplattform Spotify, hat alle wichtigen Preise (mehrfach) gewonnen, zahlreiche Chart-Rekorde aufgestellt. Mit den Songs aus ihrem "Midnights"-Album 2022 belegte sie als erste Künstlerin überhaupt allein die gesamte Top Ten der US-Charts. Gleichzeitig.
Videos in sozialen Medien zeigen, wie weit Swift-Fans für ihre Künstlerin gehen. Da werden Zeilen zum Mitsingen geübt, teures Merchandise gekauft, Outfits auf einzelne Alben abgestimmt. Zehntausende, die keine Tickets bekommen haben, pilgern vor die Stadien und treffen sich zum "Public Listening", um ihr Idol wenigstens von außen zu hören. Zuletzt war Swift 2015 in Deutschland – die kommende Tour ist ein wirkliches Ereignis für Swifties. Wir möchten keine Zaungäste sein. Wir möchten dazugehören und ihr bei "Anti-Hero" "Taylor you'll be fine" entgegenschreien.
Mittwoch, 12. Juli, 9 Uhr. Meine Freundin hat einen Code für Gelsenkirchen, sie ist in der Warteschlange. Wieder gebe ich das Maskottchen am anderen Ende der Telefonleitung. Doch wir beide wissen: Mit meinem Auf-und-Ab-Getigere helfe ich niemandem.
Es tut sich nichts. Um 9.35 Uhr müsste sie eigentlich zu einem Termin. Sie sagt ihn ab. Man muss Prioritäten setzen. Dann erreicht sie den Warteraum, kann Tickets auswählen. Ein Adrenalinschub jagt durch meine Adern – und wird jäh gekappt. Ein technischer Fehler. Sie versucht es erneut. Vergeblich. Für ein paar Minuten fühlt es sich wie persönliches Versagen an.
It's me, hi, I'm the problem it's me
Auf Twitter teilen Menschen Freud und Leid: "ICH HABS ECHT GESCHAFFT!!! FRONT OF FUCKING STAGE!!! Das war stressiger als jede Prüfung meines Lebens jemals." Oder: "Alle die schon Tickets für Gelsenkirchen haben, könnt ihr bitte den anderen die für München und Hamburg überlassen?"
Zwei Versuche haben wir noch. Um 11 Uhr beginnt der Ticketverkauf für Hamburg, die Stadt, für die ich einen Code habe. Die Odyssee beginnt von Neuem. Dieses Mal liegt es an mir, ich bin diejenige in der Warteschlange. Und: Es geht schneller als gedacht. Um 11.08 Uhr werde ich in den Verkaufsraum gelassen, kann Tickets in den Warenkorb legen. Bevor ich bezahlen kann, ist die Kategorie ausverkauft. Das passiert ein zweites und ein drittes Mal. Bin ich das Problem, bin ich zu langsam?
Ich versuche es ein letztes Mal mit der zweitschlechtesten Kategorie – und komme durch. Meine Hand zittert. In Extremsituationen funktioniert der Mensch nur noch, er denkt nicht mehr nach. Der Instinkt übernimmt die Kontrolle über die Maus. Kreditkartendaten kopieren – einfügen. Das kann ich. Eine Minute später bin ich stolze Besitzerin von Taylor Swift-Tickets. "Meisterhaft hast du das gemacht", schreibt mir meine Freundin. "Ich habe Gänsehaut." Für uns geht ein kleiner, wilder Traum in Erfüllung – an den ich mich im Nachhinein nur zu gut erinnern werde.