"Markus Lanz" Bartsch im Angriffsmodus: "Die staatspolitisch verwahrloste CDU muss raus"

Sylvie-Sophie Schindler
Markus Lanz 01. September
Markus Lanz (l.) mit seinen Gästen Michael Kellner, Dietmar Bartsch, Homaira Hakimi und Ulf Porschardt
© Screenshot ZDF
Wie könne man nur auf die Idee kommen, sich mit Masken während einer Pandemie zu bereichern? Lanz fragte zurück: Wie könne man nur auf die Idee kommen, sich bei einer Frage zu enthalten, wenn es darum geht, Menschenleben in Afghanistan zu retten?

Wie angenehm ist es, bei Markus Lanz zu Gast zu sein? Muss das überhaupt sein? Annalena Baerbock macht lieber was anderes. Sie hat viel zu tun. Aus bekannten Gründen. Den Moderator lässt das trotzdem keine Ruhe. Am 18. August 2020 war die Grünen-Politikern zuletzt in der Sendung. "Seitdem fragen wir wöchentlich an, und sie hat nie Zeit, woran liegt das?", überlegte er am Mittwochabend laut. "Denken Sie doch mal über sich nach", riet Dietmar Bartsch. Lanz lachte.

Sein Verdacht: Baerbock geht nicht dorthin, wo´s ungemütlich werden könnte. Zustimmung von "Welt"-Chef Ulf Poschardt, der auch kein Interview mit der Kanzlerkandidatin der Grünen bekommt. Er vermutet eine "bewusste Selektion": "Man geht zu einer Frauenzeitschrift und zu einem Sender, wo danach applaudiert wird." Ob sie wohl so was wie "Kontrollitis" hätte, legte Lanz drauf: "Wenn man Kanzlerin werden will, wird man doch mit einer Sendung fertig, da draußen warten Putin, Erdogan und andere Kaliber". Und überhaupt: "Da gibt es ein Talent wie Robert Habeck, der wäre wahrscheinlich der kommende Kanzler."

Die Talkgäste in alphabetischer Reihenfolge:

  • Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender von DIE LINKE
  • Homaira Hakimi, Juristin
  • Michael Kellner, Wahlkampfchef von Bündnis 90/Die Grünen
  • Ulf Poschardt, "Welt"-Chefredakteur

Die Grünen: Fehlerbehaftet und konfliktscheu

Man hat doch sicher bei den Grünen darüber nachgedacht, die Kandidaten zu wechseln? Und hatte Frau Baerbock nicht schon Rücktrittsgedanken? "Hatte Sie doch, oder? Sagen Sie was dazu, Herr Kellner." "Nein", sagte Herr Kellner, mache ich nicht. Lanz hielt weiter Kurs. "Gut, Herr Kellner, dann lassen Sie uns über Fehler reden, ich meine, wie konnten Ihrer Kanzlerkandidatin denn auf den letzten Metern so viele Fehler passieren?" Herr Kellner antwortete, man bespreche Fehler intern.

"Aber, Herr Kellner, die vielen Fehler, im Lebenslauf, die Plagiate im Buch, und das wird dann in Ihrer Parteizentrale nicht gecheckt, wie kommt das, auf den letzten Metern so viele Fehler, und dann spricht Frau Baerbock die Erfindung der sozialen Marktwirtschaft der SPD zu, wie kommt denn das, die soziale Marktwirtschaft, das muss man doch wissen, das ist die DNA unseres Landes." "Solche Fehler sind merkwürdig", pflichtete Poschardt bei. Herr Kellner interessierte sich nicht für Fehler. Bei dem RTL-Triell sei Baerbock "on top" gewesen, sie stehe für Erneuerung und Veränderung und gegen ein ambitionsloses "Weiter so".

Hymen auf die Grünen? Nix da. Poschardt holte aus. Was die Grünen betreiben sei "säkularisierter Protestantismus". Die "instagramigste Partei", mit Wohlfühlthemen, immer bei den moralisch Guten. Man drücke sich vor harten politischen Auseinandersetzungen. Das Milieu, das sie kulturell trage, sei das "unsympathischste, selbstgerechteste Spießertum, das diese Bundesrepublik kenne". Immer dieser Hochmut gegenüber anderen. Und der koste viele Stimmen. Ihn verwundere nicht der bürgerliche Jubel über Olaf Scholz: "Der hat nicht dieses Herabgucken auf den fleischessenden Verbrennungsmotorfreund, der sich freut, wenn er mit seinem Facharbeitergehalt nach Mallorca fliegen kann." Herr Kellner dazu: "Eine steile These."

Afghanistan ist kein Bullerbü – aber auch kein hoffnungsloser Fall

Poschardt zum Zweiten. Themenwechsel. Nun zu Afghanistan. "Wir haben die Frauen, die Mädchen, die Schwulen verraten." Ihm breche es das Herz, wenn er sehe, was da gerade ablaufe. "Wir verraten auch die Nato, lassen die Soldaten hängen, die Offiziere." Das ganze Klima sei falsch. Das Vertrauen in den Westen sei verloren gegangen. "Wir hätten militärisch drinbleiben müssen." Man könne dort nicht mit Reden bewirken, dass Frauen- und Schwulenrechte umgesetzt werden. Das ganze Gerede von Nationbuilding, sei ohnehin wohlfeil. Westliche Ideale mit Waffengewalt zu exportieren, eine Hybris. Es müsse klar sein: "Wir werden in Afghanistan keine liberale Demokratie und kein Bullerbü hinbekommen."

Homaira Hakimi ist Deutsch-Afghanin. Sie hat viele Jahre Aufbauarbeit im afghanischen Außenministerium in Kabul geleistet. Ihre Bilanz: "Es hat sich gelohnt." 2011 habe sie ein Land erlebt in Aufbruchstimmung und voller Hoffnung. "Es gab so viele gute Nachrichten." Dass man davon so wenig gehört habe, gerade in den Medien, kritisierte sie. Ab 2016 sei es dann allerdings rapide abwärtsgegangen. Der Grund: Korruption. Dadurch sei die Regierung gescheitert. Dass es so kommt, sei vorhersehbar gewesen. "Wenn ich das als Laie sogar gesehen habe, warum habe es die Analysten nicht gesehen?", fragte sie. Nun sei man wieder ganz am Anfang: "Das Kind, das laufen gelernt hat, das gelaufen ist, soll wieder krabbeln." Und die korrupten Minister? "Die leben heute unter anderem in Dubai und den USA, reich geworden sind sie durch unsere Steuergelder."

Wer soll raus aus Afghanistan? "Sie müssen alle raus, weil sie sich in Gefahr befinden", so Hakimi. Und Sie, Herr Bartsch, sehen Sie das auch so? Warum hat sich die Linke bei der Bundestagsabstimmung über den Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan enthalten? Wollen Sie die Leute dort im Stich lassen? Nein, sagt Herr Bartsch, niemand würde sagen, wir retten die Menschen nicht. Er verwies auf den 23. Juni, als die Linke im Bundestag beantragt habe, afghanische Ortskräfte in Deutschland in Sicherheit zu bringen. "Wir wollten so viel retten, wie zu retten ist." Und nun? Das vorliegende Mandat sei "schludrig" sondergleichen und daher nicht zustimmungsfähig. "Da steht drin, das geht bis zum 30. September, aber da ist von Ortskräften nicht die Rede." Was bedeutet das? "Lieber nicht retten als schlecht retten?", fragte Lanz. "Das habe ich nicht verstanden, das nicht zu unterstützen, da haben Sie sich ins Abseits gestellt", legte Kellner drauf.

Bartsch: "Man kann heute Millionen versenken und es passiert gar nichts"

Ob Kellner sich trotzdem Rot-Rot-Grün vorstellen könne? Kellner antwortete wie Tschentscher gestern bei Lanz: "Das müssen die Wähler entscheiden." Bartsch machte hingegen deutlich: "Ein Mitte-Links-Bündnis für Deutschland ist das Beste, was wir haben können." Das oberste Ziel sei: "Die staatspolitisch verwahrloste CDU muss raus." Er nannte unter anderem die Maskenaffäre. "Wie kann man nur auf die Idee kommen, sich während einer Pandemie an Masken zu bereichern", empörte sich Bartsch. Und klagte außerdem über die "Unkultur der Verantwortungslosigkeit" in der deutschen Regierung. Da trete keiner mehr zurück.

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© Armando Babani/Pool
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"Man kann heute Millionen versenken und es passiert gar nichts." Aber sei es nicht auch eine "Unkultur der Verantwortungslosigkeit", wenn man sich bei so einer Frage enthält, dass man Leute, die möglicherweise in Todesgefahr sind, nicht ausfliegt aus in Kabul? Wollte Lanz von Hakimi wissen. Die wiederum bat Bartsch darum, noch mal zu erklären: "Ich würde gerne wissen, was die Begründung war." Ebenso Poschardt: "Ich habe es immer noch nicht verstanden." Und Lanz: "Ich auch nicht."

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