Die Medienkolumne Fiese Models und verklemmte Freaks

  • von Bernd Gäbler
Mit mittelprächtigem Erfolg in der jüngeren Zielgruppe sendet ProSieben seit einiger Zeit dienstags um 21.15 Uhr eine in pseudo-dokumentarischem Stil gehaltene Show, die zwischen Styling-Tipp und Therapieangebot changiert. Tatsächlich ist dies zurzeit Deutschlands fieseste Sendung.

Ohne Zorn soll man eine Sache untersuchen. In diesem Fall fällt das schwer. Zu alt, zu abgebrüht ist man normalerweise, um sich über Hervorbringungen des Fernsehens noch zu erregen. Das hieße ja, sie ernst zu nehmen. Im Falle von "Das Model und der Freak" ist es anders. Ich empfinde die Sendung als so unendlich gemein, dass jede Jugendschutzinitiative gegen Bushido-Texte sich dagegen vergleichsweise mit Kinkerlitzchen befasst.

Die Grundidee. Es geht um eine Verwandlung. Wie immer wird aus dem hässlichen Entlein ein Schwan. Aber nicht von einem "Coming Out" wird erzählt, sondern von einem "Coming In". Die erzählte Wandlung ist eine Geschichte der Einpassung. Am Ende entspricht der erleichterte Proband jenen jugendkulturellen Normen von Selbstbewusstsein und Attraktivität, denen man angeblich genügen muss, um nicht Außenseiter zu sein.

Der Freak.

Ein junger Mann ist schüchtern, verklemmt, sozial isoliert, hat einen Spleen, den Eigenheit zu nennen schon eine Untertreibung wäre, und unbedingt Probleme auf dem Feld von Erotik und Sexualität. Da soll Abhilfe geschaffen werden. Am Ende ist er "ein anderer Mensch" geworden. Es soll ausdrücklich nicht darum gehen, dem Probanden nur eine strubbelige Frisur, schickere Klamotten oder eine schräge Brille zu verpassen. Nicht allein die Fassade soll erneuert werden, sondern dessen humane Substanz. Zu diesem Zweck lässt der Kandidat manches mit sich anstellen. Wer ängstlich ist, muss zum Beispiel mit dem Fallschirm springen, wer besonders schüchtern ist, muss einen Gipsabdruck vom nackten Hinterteil einer attraktiven jungen Frau nehmen.

Zur Person

Bernd Gäbler, geboren 1953 in Velbert/Rheinland, ist Publizist und Dozent für Journalistik. Er studierte Soziologie, Politologie, Geschichte und Pädagogik in Marburg. Bis 1997 arbeitete er beim WDR (u.a. "ZAK"), beim Hessischen Rundfunk ("Dienstags - das starke Stück der Woche"), bei VOX ("Sports-TV"), bei SAT.1 ("Schreinemakers live", "No Sports"), beim ARD-Presseclub und in der Fernseh-Chefredaktion des Hessischen Rundfunks. Bis zur Einstellung des Magazins leitete er das Medienressort der "Woche". Von 2001 bis Ende 2004 fungierte er als Geschäftsführer des Adolf-Grimme-Instituts in Marl.

"Konfrontation" nennt dies eine sonore Off-Stimme und tut so, als handele es sich um eine erprobte Therapieform. Man hofft nur, dass es in jedem Fall um TV-typische Übertreibungen geht. Wird also verkündet, dass der gerade vorgestellte junge Mann sich aus Gründen des Selbstschutzes ausschließlich in einer mittelalterlichen Ritterrüstung auf die Straße wagt, hofft man, dass hier nur ein etwas kurioses Hobby von den TV-Leuten ausgeschlachtet wird. Denn sonst müsste dieser junge Mann tatsächlich sofort in eine fachlich ausgewiesene Behandlung und jede Minute Dreh mit ihm und den "Models" wäre einfach ein völlig unverantwortlicher Missbrauch. Unfassbar ist, mit welchen Worten die jungen Männer und ihre Probleme jeweils dargestellt werden. Schon die offene Bezeichnung eines Menschen als "Freak" weist die Richtung: Hier geht es nicht einfach unhöflich oder unverschämt zu, sondern frank, frei und unverblümt wird eine Sprache herrenmenschlicher Verachtung gepflegt.

Das Model.

Als Model werden jeweils zwei junge Frauen vorgestellt, die zum festen Inventar der Sendung gehören und den Wandlungsprozess initiieren, begleiten, anfeuern und kommentieren, also die Funktion des Katalysators einnehmen. Auch hier stimmt die Bezeichnung "das Model" nicht. Erstens sind es immer zwei, mit denen es der Proband zu tun bekommt - beziehungsweise in deren Fänge er gerät. Zweitens hat er es nicht mit jungen Frauen zu tun, die den Beruf "Model" pflegen, also zum Beispiel mit Naomi Campbell, Heidi Klum oder auch Kolleginnen geringeren Ruhms Mode vorführen oder über Laufstege schreiten, sondern ihre Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie sich schon einmal gegen Geld haben nackt fotografieren lassen.

Sie werden wohl "Model" genannt, weil sie eine sehr bestimmte Art Sexiness verkörpern. Diese Art Sexiness hat viel mit Körpermaßen und Mode zu tun - und einem daraus resultierenden Selbstbewusstsein. Die jungen Frauen tragen ihren Sex stolz vor sich her, wie sie eine teuer erworbene Handtasche schwenken. Die Idee, dass sexuelle Ausstrahlung auch mit Persönlichkeit verbunden sein könnte, mit Lebenserfahrung, Interessen oder Haltungen, verkörpern sie nicht. Ganz schlimm wird es, wenn sie den noch unbearbeiteten Ist-Zustand des Probanden kommentieren: "Geht gar nicht" ist da das Harmloseste. Als einer erzählt, er gehe gern in Ausstellungen, werden sofort Kotz-Bewegungen imitiert; das sei etwas für Opas, total langweilig.

Als einer sich am Ende willig und stolz alles hat anziehen lassen, was "die Models" ihm aus den einschlägigen Boutiquen zusammengestellt hatten, und sich noch eine klotzige Brille verpassen ließ, erntete er großes Lob: Jetzt sehe er echt aus, als würde er in einer Werbeagentur arbeiten. Das sind so die Ideale. Die jungen Frauen können mit dem Hintern wackeln, aber kein Deutsch. Mit falschen Fällen und Verbformen artikulieren sie völlig ungeniert ihre Abscheu vor den noch nicht zurecht getrimmten Jungs. Das mag an der Herkunft liegen - Jana Ina und Monica Ivancan heißen zwei der eingesetzten "Models". Aber leider entspricht die sprachliche Schwäche den geistigen Interessen.

Nun muss nicht jedermann das Hobby haben, die Feuilleton-Artikel von Patrick Bahners zu entschlüsseln, aber einen etwas weiteren Horizont als Party machen, schicke Klamotten, "Promis" und toll aussehen dürfen doch auch junge Leute haben, die erst einmal fröhlich und optimistisch die Welt erobern wollen. Wenn schon nicht über Bücher, vielleicht reden sie ja miteinander über Filme, Reisen, Erlebnisse. Die unfassbare geistige Dürre der "Models" verblüfft erst recht, seit bekannt ist, dass eine von ihnen die Lebensgefährtin des Oliver Pocher ist, der sich demnächst zumindest in die Nähe Harald Schmidts zu bewegen beabsichtigt.

Ideale.

Die gepredigten Ideale, zu deren hingebungsvollem Bekenntnis die "Problem-Jugendlichen" hinsozialisiert werden sollen, sind nicht einfach nur dümmlich, sondern sie entsprechen stromlinienförmig den gerade marktgängigen Konventionen von attraktiver Jugendlichkeit. Hier werden nicht Empfehlungen gegeben, nicht ein paar Tipps, sich typgerechter zu kleiden oder besser zu frisieren, sondern hier wird letztlich als nachhaltig positive Persönlichkeitsänderung ausgegeben, was eine individualitätsbereinigende Geschmacksdiktatur ist.

Toleranz-Erziehung.

Man könnte darüber lachen. Die Sendung ironisch nehmen. Einfach als ein weiteres Beispiel des zahlreichen Fernseh-Quatsches. Dies würde funktionieren, gäbe es keine Bulimie; wären nicht so viele Mädchen unglücklich, nur weil ihr Hintern ein bisschen dicker ist als der jener TV-"Models", wären nicht so viele Jungs allein, nur weil sie etwas ernsthafter sind als die Scharen der feucht-fröhlichen Partygänger.

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