Bei Ingrid van Bergen klingt selbst die Eigenwerbung gut. Dieses kleinen Sprüchlein, mit dem die Camp-Bewohner das Publikum tagtäglich zum Anrufen animieren. "Liebe Zuschauer, die Spannung steigt, wir bewegen uns mit Riesenschritten auf das Finale zu", sagte sie gestern Abend, gewohnt raues Timbre und derart hübsch betont, dass so mancher Fensterredner in Berlin vor Neid erblasst sein dürfte. "Sie wissen, es geht mir vor allem um die ältere Generation, also meine Generation. Ich will mit meinen Einsatz beweisen, dass wir fit sind und dass mit uns durchaus zu rechnen ist. Bitte rufen Sie für mich an!" - Sprach sie, und wurde erhört: Ingrid van Bergen ist wieder eine Runde weiter und steht im Finale des Dschungelcamps.
Dass sich die wohl eher 14 als 49-Jährigen für Ingrid van Bergen die Finger wund tippen, darf man als Überraschung werten. Galt die 77-jährige "Dschungel-Oma" doch vor Beginn als "nicht zielgruppengerecht" und daher als Top-Kandidat für einen schnellen Rauswurf. Doch die Grande Dame des Dschungels, stets mit breitem Haarband und einer XXL-Portion Lippenstift im Gesicht unterwegs, beeindruckt mit ihrer herrlich unaufgeregten Art und ihrer Schlagfertigkeit. Wenn sie da mit ihren fast 80 Jahren fidel durch die Botanik tapert, nicht die geringste Scheu hat, ihren faltigen Körper im blumenbunten Badeanzug zu präsentierten, wird auch dem behäbigeren Teenagergehirn ersichtlich, dass das Leben nicht mit dem Renteneintrittsalter endet.
Ihrem Rücken geht es wieder gut
Sympathiepunkte dürfte van Bergen sicher auch das kleine Scharmützel mit Giulia Siegel vor zwei Tagen eingebracht haben. Im Anschluss an die "Bananen-Krise" stauchte sie die "Giftschlange" derart elegant zusammen, dass sogar dem kampfeslustigen Party-Girl mal für einige Zeit die Worte fehlten. Gestern demonstrierte van Bergen wie man so einen Zickenkrieg mit Anstand beendet. Ohne Nachtreten nämlich: "Ich bewundere Guilia für ihre Strategie. Für ihre Härte, ihre Stärke und ihre Zielstrebigkeit. Das alles war bemerkenswert", lobte sie die Kontrahentin, die am Vortag freiwillig mit Rückenschmerzen ausgeschieden war. "Ich glaube für Giulia, diese Kämpferin, wäre es menschlich eine Katastrophe gewesen, wenn sie rausgewählt worden wäre."
Von derartiger Altersweisheit trennen Siegel mehr als ein paar Lebensjahre. Immerhin: Ihrem Rücken geht es wieder gut. Erstaunlich gut sogar. Nach einer reichlich unkonkreten Diagnose von Camp-Arzt Dr. Bob ("Sie hatte im Dezember eine OP, sie hat starke Schmerzen.") und einem nächtlichen Junk-Food-Einkauf (Chips, Energy-Drinks und eine Big Box Zigaretten) an der Tanke, konnte sie am nächsten Morgen sogar schon wieder lachen. Man sah sie beim Schminken, endlich auch wieder im kurzen Schicksen-Kleidchen, und ebenfalls beim Frühstück, wie sie sich, ups, den Kaffeeschaum von der Oberlippe schleckte. Die Freude währte allerdings nur kurz: Als nämlich ihre Freundin Rebekka vorbeikam und ihr mitteilte, dass die meisten Zuschauer sie nicht als "ehrlich und straight" wahrnehmen, wie sie eigentlich vermutet hatte. Sondern eher als "manipulativ, "süchtig nach Aufmerksamkeit" und "reif für eine ausgedehnte Psychoanalyse".
Auf einen endlos leeren Blick folgte ein Festival der Selbstgerechtigkeit: "Ich fühlte mich ungerecht behandelt, weil Ingrid immer viel geholfen wurde", erklärte sie beim Interview mit Sonja Zietlow und Dirk Bach. "Ihr wurden die Sachen getragen, mir nicht. Obwohl ich geweint habe vor Schmerzen." Auch der Sender bekam sein Fett weg: Die Wahl der Bildausschnitte sei nicht fair gewesen, niemand habe daher all ihre guten Taten gesehen. "Ingrid habe ich zwei Mal massiert, Lorielle immer wieder getröstet - doch das wurde einfach nicht gesendet." Ihr Fazit: "Die einzige, die ehrlich war, war ich. Alle anderen haben gelogen und nur geheuchelt!"
Blick auf Brüste
Unterdessen genossen die verbliebenen vier Dschungelcamper an Tag 1 nach Guilia Siegel "Harmonie ohne Ende" (Nico Schwanz). Gundis Zambo arbeitete weiter an ihrer Massenkompatibilität und bemühte sich eifrig nirgendwo anzuecken. Schwanz dagegen musste zur Dschungelprüfung antreten, die Stärken und Schwächen des athletischen Thüringers aufdeckte: In der Disziplin "Ekliges-Kleingetier-über-den-See-transportieren", und zwar in einem über den Kopf gestülpten Trichter, machte er sich richtig gut. Nur leider wollte das parallel dazu geforderte Kopfrechnen (z.B. 93 durch 3 minus 13) nicht so recht gelingen. Am Ende gab es einen Stern, nur eine karge Mahlzeit. "Immerhin", witzelte Bach, "man stelle sich vor, wir hätten ihn buchstabieren lassen."
Lorielle London dagegen hatte modische Probleme: "Wann kann ich endlich meinen selbst gebastelten Palmen-Bikini anziehen" - war eine Frage, mit der sich das zierliche Persönchen recht ausführlich auseinandersetze. Beim Anprobieren folgte das Unvermeidliche: Der erste freie Kamerablick auf ihre erst kürzlich angeschafften Brüste, auf die das Lottchen so stolz ist. natürlich nicht, ohne die Transsexuelle nur ein paar Sekunden beim "Lümmel wegkleben" zu präsentieren. Glücklicherweise von hinten. Als sie am Ende mal wieder "total depri" war, weil sie so große Angst hatte rausgewählt zu werden, war es Teamchefin van Bergen, die tröstende Weisheiten fand: "Konfuzius, Laotse, Buddha und alle Weisen sagen: ‚Ein glückseliges Leben besteht darin, dass du nichts erwartest."
Nicht ganz unerwartet flog Zambo am Schluss raus, so dass Schwanz, London und van Bergen im Finale um die Dschungelkrone kämpfen werden, letztere sicher als Favoriten. Van Bergen hat sogar einen prominenten Fan: Thomas Gottschalk. "Ich habe gestern dreimal für sie angerufen", sagte der "Wetten, dass..?"- Moderator der "Bild". "Das ist nicht nur ein sinnvoller Beitrag zur Resozialisierung ehemaliger Straftäter, sondern auch ein Signal gegen die Benachteiligung älterer Mitbürger in Alltag und Berufsleben." Natürlich wollte er damit nur lustig sein. Wahrscheinlich um Quotensorgen zu überspielen, da seine Wett- und Werbesendung am Samstagabend gegen die Konkurrenz aus dem Dschungel Federn lassen wird. Er kann ja nun auch wirklich nicht ahnen, dass van Bergen tatsächlich seit zwei Wochen dabei ist, dem Fernsehpublikum zu zeigen, dass mit ihrer Generation zu rechnen ist.
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