Es ist die tragische Geschichte von zwei tödlichen Flugzeugunglücken im Abstand von nur fünf Monaten. Im Oktober 2018 stürzte eine Boeing 737 MAX kurz nach dem Start in Jakarta ab. Im März 2019 kam es zu einem weiteren Absturz desselben Modells in Äthiopien, wieder kurz nach dem Abflug in Addis Abeba. Die Fälle gaben Rätsel auf: Wie konnte es sein, dass nagelneue Maschinen vom renommierten Flugzeugbauer Boeing abstürzten?
Die neue Dokumentation "Absturz: Der Fall gegen Boeing“ auf Netflix versucht nun, Antworten darauf zu finden. Es geht dabei um Geldgier, mangelnde Konkurrenzfähigkeit und ein Betriebsklima der Angst. Und das alles zu Lasten der Sicherheit der späteren Passagiere.
Andy Pasztor ist ein früherer Journalist des "Wall Street Journal“ und einer derjenigen, der tiefgreifend zu dem Skandal recherchiert hat. Immer wieder kommt er in der Dokumentation zu Wort und schafft es, auch Laien die Thematik verständlich zu erklären. Mitte der 90er Jahre fusionierte Boeing mit dem Flugzeughersteller McDonnell Douglas. Das ist der Wendepunkt, so sehen es zumindest die ehemaligen Mitarbeiter von Boeing, die sich in der Doku äußern.
Vorher wurde keine Maschine ausgeliefert, wenn nur ein Mitarbeiter Bedenken hatte. Mit den neuen Vorständen änderte sich das: Tausende Stellen wurden gestrichen, die Kosteneffizienz und der Börsenwert schienen plötzlich wichtiger zu sein als die Sicherheit der Passagiere.
Nichts für Menschen mit Flugangst
Es wird auch von Leitern, nicht montierten Unterlegscheiben und anderen vergessenen Dingen berichtet, die allesamt auch schon Unfälle hätten verursachen können. Menschen, die ohnehin schon Flugangst haben, werden in der Doku vermutlich noch mehr verschüchtert. Aber auch alle anderen werden in Zukunft vermutlich genauer schauen, mit welchem Flugzeugtyp sie da eigentlich fliegen.
Tiefpunkt war dann das Jahr, in dem Konkurrent Airbus den neuen A320neo vorstellte. Dieser war deutlich spritsparender als alle anderen Modelle auf dem Markt, er wurde sehr stark nachgefragt. Boeing war im Zugzwang, hatte aber keine passende Antwort darauf. Die Forschung an einem neuen Flugzeugtypus kostet sonst um die sieben bis zehn Jahre. Zeit, die Boeing nicht hatte. Um weiterhin konkurrenzfähig mit Airbus zu bleiben, taten sie etwas: Sie nahmen ihr bisher erfolgreichstes Modell, die Boeing 737, und bauten ebenfalls spritsparende Triebwerke ein. Die allerdings waren zu schwer und zu groß für das Modell 737. Wie Boeing dann versuchte, das Problem zu korrigieren, und wieso das System MCAS schließlich zu den Abstürzen führte, wird anschaulich erklärt.
Die 737 MAX darf wieder fliegen
Auch jemand, der sich sonst nicht für Technik oder Flugzeuge interessiert, wird bei dieser Doku gespannt zuhören. Es ist ein Wirtschaftskrimi und ein Negativbeispiel, wohin Stellenstreichungen und Geldgier führen können. Berührend sind die Szenen, in denen die Hinterbliebenen der Opfer erzählen. Wie etwa die Witwe des Piloten, der in Jakarta abstürzte. Es wird an keiner Stelle langatmig, stattdessen hätte man die Schicksale und Einzelheiten noch weiter ausführen können.

Doch bleibt man auch ein bisschen ratlos zurück: Die Boeing 737 MAX darf längst wieder abheben, das System wurde überarbeitet. Stattdessen gibt es nun Probleme mit dem Flugzeugtyp Dreamliner, der Boeing 787. Vermutlich könnte man dazu dann die nächste Dokumentation in Auftrag geben.
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