Am Scheideweg Warum der Shitstorm um Meghan und Harry so heuchlerisch ist – und was ihnen helfen kann

Prinz Harry und Herzogin Meghan 2021 bei den "Invictus Games" in Den Haag, 2023 kommt das Sport-Event für verwundete Soldaten nach Düsseldorf
Prinz Harry und Herzogin Meghan 2021 bei den "Invictus Games" in Den Haag, 2023 kommt das Sport-Event für verwundete Soldaten nach Düsseldorf
© ANP / Imago Images
In einem XXL-Interview haben Herzogin Meghan und Prinz Harry über ihr Leben nach dem Rückzug aus dem britischen Königshaus gesprochen – und vielerorts Hate dafür bekommen. Um ihren Ruf zu retten, gibt es ein paar Möglichkeiten.

Wenn die Welt – und die Menschen – fair wären, sollten sich Herzogin Meghan und Prinz Harry keine Gedanken um ihren Ruf machen müssen. Sie sind einer Institution entflohen, die sie als altmodisch, destruktiv und verletzend empfanden. Das Wort, auf das es hier ankommt, ist: sie. All das, was die Sussexes in den vergangenen zwei Jahren, seit ihrem Rückzug aus dem Königshaus, erzählt haben, ist ihre Sichtweise. Nicht mehr und nicht weniger. Selbstverständlich wird es andere Sichtweisen geben, die ebenso ihre Daseinsberechtigung haben. 

Umso erstaunlicher ist es, wie viele langjährige Kommentatoren und jene, die noch recht neu in der Branche sind, Urteile erlauben, die allgemeingültiger nicht sein könnten. Jüngst auch von Maureen Callahan, deren Meinungsartikel es sogar auf die Titelseite der "New York Post" geschafft hat. Man muss allerdings ein ganz großes Fragezeichen hinter ihre Aussagen setzen, denn sie bezieht ihre Charakterisierung der gebürtigen Meghan Markle auf das Buch von Tom Bower. Und genau dieser hatte frech und frei von der Leber weg erzählt, dass er im Rahmen seiner Recherche nicht mit dem engen Umfeld der Herzogin sprechen konnte, weil sie es verhindert habe. Ihr gutes Recht. Stattdessen gehörten zu den Menschen, die mit ihm sprachen, vor allem die, die Schlechtes über sie berichteten. Und dieses Buch soll allen Ernstes den Ansprüchen an eine ausgewogene und faire Berichterstattung genügen?

Ich bitte Sie.

Meghan Markle und Prinz Harry nutzen es, dass sie keinen Maulkorb mehr haben

Die Welt ist also nicht fair und die anhaltende schlechte PR für die Sussexes könnte wirtschaftlich gesehen negative Auswirkungen haben. Zugegeben, danach sieht es derzeit noch nicht aus. Der neue Podcast der 41-Jährigen rangiert in vielen Ländern der Welt ganz oben in den Charts. Doch Sponsoren und Organisationen werden wachsam beobachten, wie sich das Bild des Herzogpaars in der Öffentlichkeit entwickelt. Um dann zu entscheiden, ob sie mit ihnen gemeinsame Sache machen wollen.

Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass Harry und Meghan die Aufmerksamkeit nutzen, um einige Dinge auszuführen, die sie jahrelang nur andeuten konnten. Zu dieser Strategie gehörte das Interview mit Oprah Winfrey aus dem Frühjahr 2021 und das Interview im Ableger des "New York Magazines", "The Cut". In jedem Wort ist zu spüren, wie froh sie sind, endlich offen sprechen zu können. Es gibt sicherlich eine Menge Geschichten, die niemals an die Öffentlichkeit dringen werden. Und das ist auch gut so. Aber das Bedürfnis, Unwahrheiten aufzuklären, Kontext zu Halbwahrheiten zu liefern und die eigene Sichtweise zu Geschehnissen zu liefern, dürfte jeder nachvollziehen können. Ist sie doch allzu menschlich. 

Warum ist es also solch ein Problem für den Herzog und die Herzogin von Sussex?

Die Sussexes kratzen an der royalen Idylle im britischen Königshaus

Royals sind auch im 21. Jahrhundert immer noch der Stoff, aus dem Märchen geschaffen werden. Oft wird vergessen, dass in den prachtvollen Palästen Menschen aus Fleisch und Blut, mit Talenten und Schwächen leben. Gerade die angeheirateten Mitglieder haben heutzutage ein abenteuerreiches Leben vor der royalen Hochzeit geführt. Während diese Geschichten in anderen Ländern akzeptiert werden, ist es im Vereinigten Königreich ein Problem. Jahrelang zogen die Boulevardmedien darüber her, dass Herzogin Kates Mutter als Flugbegleiterin gearbeitet hat und die Familie durch den Online-Versand von Partyzubehör zu Millionären wurde. Seitdem die Royal Family sie gnädigerweise in ihre Reihen aufgenommen hat, ist alles Friede, Freude, Eierkuchen. An der heiligen Königsfamilie darf natürlich nicht gekratzt werden. Kate hält sich daran – ihr Schwager und seine Frau nicht.

Es ist aber nicht nur das heile Märchen, das Meghan und Harry ins Wanken bringen. Sie stellen die schier unantastbare Queen infrage. Seit den Tagen nach Prinzessin Dianas Tod im Jahr 1997 hat man die Institution der Monarchie und ihr Oberhaupt die Queen nicht mehr derart angegriffen gesehen. Nicht nur durch die Vorwürfe, die das Paar erhoben hat, sondern auch durch das Verhalten rund um den Ausstieg der zweifachen Eltern. Sie haben zwar vehement betont, dass sie der Queen nichts anlasten, doch in jeder Firma muss die Führungskraft die Verantwortung für Missstände übernehmen. Vermutlich nehmen ihnen viele Beobachter diese implizite Kritik besonders übel. 

Mittlerweile hetzen nicht nur die üblichen Kommentatoren auf der Insel und einige Trolle in den sozialen Netzwerken, die Kritik erstreckt sich auch auf Titelseiten in den USA und sogar in respektable deutsche Medien wie die FAZ. Was können Meghan und Harry also tun?

Meghan und Harry, fokussiert euch auf eure Talente und das Gute, das ihr tut

In ihren Interviews haben die zwei oft betont, wie wichtig es ihnen ist, sich für die Verletzten und Benachteiligten in der Gesellschaft einzusetzen. Aus diesem Grund reisen sie in der kommenden Woche nach England und Deutschland. In Manchester werden Meghan und Harry am Montag beim "One Young World Youth Summit" teilnehmen. Am Dienstag reisen sie nach Düsseldorf für ein Event der vom Herzog gegründeten "Invictus Games". Am Donnerstag werden sie an der Verleihung der WellChild Awards teilnehmen. Und damit offenbart sich das Spektrum, auf das sich die Sussexes konzentrieren sollten – und worin sie am besten sind. 

Prinz Harry war früher der beliebteste Windsor, weil er so schnell und unbefangen mit Menschen in Kontakt kommt. Sowohl junge als auch erfahrene Menschen haben begeistert von ihren Begegnungen mit dem Rotschopf gesprochen. Harry schafft es, dass sich Menschen in seiner Nähe wohlfühlen. Sie sprechen über ihre Ängste und Sorgen, ihre Zweifel und Gebrechen. Währenddessen sieht sie der Prinz an, hört ihnen aufmerksam zu, fragt nach. Auch vor Körperkontakt scheut der Prinz nicht zurück, wie bei unzähligen Besuchen in karitativen Einrichtungen zu beobachten ist. Die Gabe, die ihm seine Mutter Diana vererbt hat, sollte der 38-Jährige auch in Zukunft nutzen. Mit ihr kann er tatsächlich etwas erreichen. Er kann mit seiner Power den Ungehörten eine Stimme verleihen, auf mächtige Menschen einwirken.

Meghan ergänzt ihn wiederum mit ihrer klaren, offenen Kommunikation. Sie weiß, was die Kameras einfangen wollen. Selbstbewusst, eloquent und emotional spricht sie – scheinbar ohne Aufregung – vor Kameras und großem Publikum. Sie weiß genau, wie sie ihre Botschaft mit Nachdruck vortragen muss. Zu sehen war das schon 2017 im großen Verlobungsinterview. Neben einem grinsenden Harry, saß eine eifrig erzählende Meghan. Mit fester Stimme und direktem Blick sprach sie über ihr bisheriges Leben und die neue royale Zukunft. Der Moment, als sie ihren damaligen Verlobten unterbrach, ihre Hand auf seine legte und das Wort ergriff, blieb vielen im Gedächtnis. So anders war das Auftreten der hübschen Frau im Vergleich zum Verlobungsinterview von Prinz William und der damaligen Kate Middleton sieben Jahre zuvor. Natürlich hatte die Millionärstochter auch sehr viel weniger Kameraerfahrung und war jünger. Doch der Eindruck blieb und so dürfte es kein Zufall sein, dass Meghan die größten Parts der Interviews mit Oprah Winfrey und "The Cut" bestritt. Ein Talent, das ihr viel zu viele Beobachter negativ auslegen wollen, aber das in der heutigen Zeit von unschätzbarem Wert ist. Und wenn wir ehrlich sind: So manches Mitglied der Königsfamilie sollte dankbar sein, wäre er oder sie etwas kameraaffiner. 

Was sie eindämmen sollten, ist das private Geplänkel. Ob man nun jede Geschichte glaubt oder nicht, das Narrativ, das Meghan und Harry erzählen wollten, haben nun alle verstanden. Nicht alles, was glänzt, ist Gold. Nicht einmal bei Königs'. Was haben sie davon, ihre Verletzungen weiter aufzurechnen? Es macht nichts davon ungeschehen und mit dem Verständnis, das sie sich von ihrem Weltpublikum erhoffen, machen sie nichts ungeschehen und werden davon letztlich auch nicht glücklich.

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