Was macht eigentlich... Paul Bocuse

Der Drei-Sterne-Koch erfand in seinem Restaurant bei Lyon die Nouvelle cuisine und gilt bis heute als Botschafter der französischen Küche.

Der Drei-Sterne-Koch erfand in seinem Restaurant bei Lyon die Nouvelle cuisine und gilt bis heute als Botschafter der französischen Küche.

Zur Person:

Der 76-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder. Nach seiner Ausbildung in Lyon und Paris übernahm er 1959 den Betrieb seiner Eltern und baute ihn als "L´Auberge Paul Bocuse" zu einem mittelständischen Unternehmen mit Restaurants und Läden in den USA, Japan und Australien aus. Allein in Frankreich arbeiten heute rund 235 Angestellte für den Ritter der Ehrenlegion und Autoren zahlreicher Kochbücher.

Haben Sie heute schon Champagner getrunken?

Noch nicht, aber vor dem Mittagessen genehmige ich mir ein Gläschen.

Ihr Vorbild, der legendäre Koch Fernand Point, gönnte sich täglich mehrere Flaschen Dom Perignon.

Da kann ich nicht mithalten. Aber es stimmt schon. Point rief immer: "Paul, schenk nach", als ich vor 50 Jahren bei ihm in die Lehre ging; stets befahl er, mehr Schampus in die Salatsoáe zu tun.

Seit 38 Jahren - länger als jeder andere Spitzenkoch - halten Sie in Ihrem Restaurant in Collonges-au-Mont-d´Or bei Lyon die maximalen drei Michelin-Sterne. Stehen Sie eigentlich noch selbst am Herd?

Wenn ich in meine Küche gehe, sage ich manchmal aus Spaß: "Ich bin hier der Beethoven, wo sind meine Karajans?" Und bei mir sind gleich vier Karajans angestellt - allesamt Chefs, die mit der Medaille "Bester Arbeiter Frankreichs" die höchste Auszeichnung tragen, die in unserem Gewerbe vergeben wird.

Und "komponieren" Sie noch, Monsieur Beethoven?

Manchmal haben wir schon etwas Neuartiges auf der Karte, aber eigentlich biete ich hier in Collonges ganz normale, klassische Küche mit Produkten bester Herkunft. Bis heute kümmere ich mich um den Einkauf, schieße Wildenten auf meinen Jagdgütern oder schaue in meinem zwei Hektar großen Garten nach dem Gemüse, nach den Kardonen etwa - Distelpflanzen, die mit den Artischocken verwandt sind.

Stehen Sie noch hinter der einst von Ihnen begründeten "Nouvelle cuisine"?

Ach, das ist lange her. Bei der Nouvelle cuisine war nur viel auf der Rechnung und nichts auf dem Teller.

Die schwarze Trüffelsuppe auf Ihrer Speisekarte, 1975 kreiert zu Ehren des damaligen Präsidenten Giscard d´Estaing, kostet derzeit 72 Euro. Bleiben Ihnen in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise bei solchen Preisen nicht die Gäste aus?

Überhaupt nicht, meine Geschäfte gehen heute so gut wie eh und je.

Alle reden vom Ende der Spaßgesellschaft, das kann doch nicht gut sein für die gehobene Gastronomie, oder?

Den besten Lokalen dieser Welt ging es schon immer prima, und das wird auch in Zukunft so sein. Ich sage den Leuten immer: "Vergesst den 11. September." Meine Tische sind meistens ausgebucht, auf dem Parkplatz vor meinem Restaurant stehen Porsches aus Deutschland; insbesondere Süddeutschland ist sozusagen unsere Vorstadt.

Welche Promis kommen denn da so?

Boris Becker war zum Beispiel bei uns, zusammen mit Franz Beckenbauer. Und dann dieser Grüne ...

... Joschka Fischer?

Nein, Daniel Cohn-Bendit.

Offenbar gibt es in der Welt der Gastronomie, wie Sie sie sehen, nur eine Hauptstadt, und die heißt Lyon. Selbst Paris sei "Provinz", haben Sie einmal gesagt.

Lyon ist nun einmal das Zentrum all meiner Aktivitäten. Diese Woche fand bei uns zum neunten Mal die Kochweltmeisterschaft "Bocuse d´Or" statt - Spitzenköche aus 24 Ländern treten an. Und ich bin sehr stolz darauf, dass ich hier in der Stadt nach meinen Brasserien "Le Nord", "Le Sud" und "L´Est" vor einem Monat noch das "L´Ouest" eröffnen konnte.

In zwei Wochen werden Sie 77 Jahre alt. Wird Ihnen der Rummel nicht manchmal zu viel?

Ach, ich sage immer: Der liebe Gott ist ja auch ein berühmter Mann, aber trotzdem läuten in seinen Kirchen jeden Tag die Glocken.

Interview: Tilman Müller

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