Psychologie So wichtig ist die Stimme beim Daten: Sie lässt sogar Schlüsse auf den Charakter zu

Stimme beim Daten
75 Prozent sagen bei einer Umfrage, dass die Stimme entscheidend ist, ob sie ein romantisches Verhältnis mit dem Gegenüber in Erwägung ziehen
© Imago
Die Stimme ist ebenso einzigartig wie ein Fingerabdruck einer Person. Gerade beim Daten ist man sehr gespannt, wenn man die erste Sprachnachricht erhält. Es kann sogar auch zu einem echten Abturner führen, wenn die Stimme sich anders darstellt, als man es erwartet hat.

Die "Bumble"-Psychologie-Expertin Nicole Engel hat sich mit dem stern das Thema Stimme mal genauer angeschaut und zu fünf Fragen sehr interessante Antworten gegeben. Wussten Sie zum Beispiel, dass jemand, der beim Kennenlernen mit frechen Sprüchen hantiert, nicht der witzigste und selbstbewussteste Mensch zu sein vermag, sondern vermutlich eher Unsicherheit eine Rolle spielt? 

Wie wichtig ist psychologisch die Stimme des Gegenübers generell?
Treffen Menschen erstmalig aufeinander, wie beim Dating, wirkt das sogenannte psychologische Konzept des Johari-Fensters. Es besagt, dass mein Handlungsspielraum um so mehr eingeschränkt ist, je weniger ich über den anderen weiß. Der andere stellt für mich einen blinden Fleck dar. Das heißt beim ersten Kennenlernen: Ich kann wahrscheinlich weniger locker und authentisch ich selbst sein, weil ich nicht weiß, was beim Gegenüber gut ankommt. Das verunsichert mich und Unsicherheit mag niemand von uns. Das ist uns sozusagen nicht sympathisch. Psychologisch gesehen, ist demnach auch die Stimme eine relevante Informationsquelle, um für sich beim Dating abzugleichen, ob es mit dem Gegenüber passen könnte oder nicht. Sie gibt mir Sicherheit im Datingprozess, schafft dann eher Vertrauen und Offenheit zwischen zwei Menschen und man findet sich sympathischer als zum Beispiel nur über Bilder.

Auch eine aktuelle Umfrage hat bestätigt, dass die Stimme für die überwältigende Mehrheit (75 Prozent) der Personen in Deutschland ein starker Indikator dafür ist, ob die romantische Chemie stimmt. Und sogar für mehr als jede:n Dritte:n (38 Prozent) zwischen 18 und 34 Jahren kann das Hören der Stimme dazu beitragen, sich vor dem ersten Date sicherer, entspannter und wohler zu fühlen. Deshalb hat die Dating-App "Bumble" nun ein Feature für Audiofragen gelauncht, wo man vor einem Like und Match schon die Stimme des anderen hören kann.

Kann die Stimmfarbe, Betonungen etc. etwas über die Person im Ganzen aussagen?
Eine tiefere, relativ emotionslose, sachliche Stimme wirkt alltagspsychologisch gesehen auf viele beruhigend, während eine nasale Aussprache eher etwas arrogant rüberkommt. Auch Emotionen wie Ärger, Freude oder Furcht werden durch subtile Vorgänge in den Kehlkopfmuskeln für andere hörbar und somit über unsere Stimme transportiert. Jeder kennt sicher zum Beispiel eine "zitterige" Stimme bei Aufregung, wenn eine Rede vor einer großen Gruppe ansteht oder wenn man sehr unsicher ist beim Dating. Auch auf die Persönlichkeit eines Menschen kann man ebenfalls aufgrund der Stimme schließen. Denn die Stimme ist charakteristisch für jeden Einzelnen und transportiert Persönlichkeitsattribute. So deuten zum Beispiel sehr schnell sprechende, bildhaft beschreibende und emotionsgeladene Stimmen auf eher schillernde, extrovertierte Persönlichkeiten hin.

Sogar psychische und körperliche Erkrankungen schlagen sich in Stimme und Sprechweise nieder. Häufig ist die Stimme dann sehr ruhig und gedrückt. So schlussfolgern wir aufgrund der Stimme häufig über Personen im Ganzen. Wichtig ist hierbei für sich präsent zu haben, dass sogenannte Beurteilungsfehler ganz automatisch zum Tragen kommen können; wie der Halo-Effekt zum Beispiel. Eine kognitive Verzerrung, ein Merkmal einer Person ist so dominant, dass es andere in den Hintergrund rückt. Zum Beispiel: Eine tiefe, rauchige Stimme wird als besonders männlich und beschützend interpretiert von Frauen; kann aber in der Realität genau das Gegenteil sein: bestimmend und autoritär, eher auf die eigenen Bedürfnisse bedacht.

Wer für mich eine attraktive Stimme hat, dem werden ganz automatisch weitere gute Eigenschaften zugeschrieben: Stark und selbstbewusst zu sein, intelligent, freundlich, emotional stabil und sozial kompetent. Eine weitere Fehlinterpretation ist der Horn-Effekt. Ein zu frecher Spruch oder eine Aussage, die nicht mit meinen Werten kompatibel ist, kann bildlich gesehen dafür sorgen, dass ich meinem Gegenüber Hörner aufsetze und nichts mehr mit ihm zu tun haben will. 

Männer nehmen die Stimme von Frauen beim Daten anders wahr, als von anderen Männern

Auf welche Art Stimme (Betonungen, Schnelligkeit, Höhe oder Tiefe) reagieren Mann und Frau am positivsten?
Allgemeinpsychologisch ist bekannt, dass wir Menschen eine voll klingende Stimme in mittlerer Tonlage als angenehm empfinden. Demnach ist eine sympathische Stimme resonanzreich und klangvoll. Eine hohe natürliche weibliche Stimme weckt eher Beschützerinstinkte bei Männern zum Beispiel. Will ich aber als Frau, dass ein Mann mich tiefgründig versteht und wirklich zuhört, sollte ich langsam, bestimmt und tiefer sprechen. Denn laut britischen Forschern hören Männer Frauenstimmen anders als Männerstimmen (wahrscheinlich fühlen sich Frauen daher manchmal überhört – im Job, aber auch im Datingprozess). Frauen sprechen aus anatomischen Gründen in komplexeren, hohen Frequenzen (lassen Männer eher ermüden, so wie klassische Musik) und Männerstimmen sind generell tiefer und kommen neuronal gesehen eher im Sprachzentrum des hörenden Mannes an.

Männer haben also einen anderen Hörsinn als Frauen. Und wenn es mit der Kommunikation nicht gleich so klappt, ich mich also nicht richtig verstanden fühle, gern dem männlichen Gegenüber nochmals eine Chance geben. Denn häufig liegt nicht Desinteresse vor, sondern schlicht und einfach Verständigungsprobleme aufgrund des verschiedenen Hörsinns.

Psychologie-Expertin Nicole Engel
Dipl.-Psych. Nicole Engel ist Gründerin sowie geschäftsführende Gesellschafterin der PSYCHOLOGICUM Berlin und kennt sich mit der Psychologie der Stimme aus

Ärger, Aufregung und Hysterie: Gibt es psychologische No Gos beim Dating, die das Gegenüber rein von der Stimme, weniger vom Inhaltlichen, abschrecken können?
Allzu hohe, schrille Stimmen werden oft als "nervig" wahrgenommen oder auch sehr brummige, tiefe Stimmen werden häufig als "unsympathisch" wahrgenommen. Vor allem, weil sie in Summe oft weniger gut verständlich sind oder Stress in dem einen oder anderen auslösen. Gleiches gilt für Dialekte: laut "Bumble"-Studie spielt für ca. 50 Prozent Dialekt keine Rolle und gar 26 Prozent geben an, Bayrisch sei attraktiv, dennoch gehen Stereotype damit einher und Menschen mit Dialekten wird alltagspsychologisch weniger Kompetenz zugesprochen: so wirke zum Beispiel Sächsisch weniger intelligent.

Bei Sprachnachrichten, den ersten Telefonaten oder dem Audiofragen Feature in der App: Worauf sollte man bei seiner Stimme achten, dass man sympathisch rüberkommt?
Wichtig ist, man selbst zu bleiben, sich nicht künstlich zu verstellen und authentisch zu bleiben. Auf keinen Fall versuchen, perfekt zu sein. Denn perfekt ist langweilig und das Gegenüber nimmt das Ganze sofort als Verbiegen wahr.

Man darf natürlich aufgeregt sein, aber sollte nicht stottern, flüstern oder sich verhaspeln beim Aufnehmen von Nachrichten, der Audiofrage oder einem ersten Telefonat. Es ist vorteilhaft, langsam und deutlich zu sprechen. Denn unsere Stimme verrät vieles, was in uns vorgeht. Nicht umsonst wissen wir bei guten Freunden nach wenigen Worten am Telefon, wie es ihnen geht. Tipp: Bevor man zu sprechen beginnt, hilft immer, den Körper in eine gute, angenehme Spannung zu bringen: hierfür den Nacken sanft hin und her bewegen, gähnen, die Bauchmuskeln entspannen, die Schultern hochziehen und absenken und die Hände ausschütteln. Dann zur Ruhe kommen und sich für einen Moment mit seiner Atmung verbinden. Wichtig ist auch, beim Sprechen Punkte und Pausen zu setzen und kurze Sätze zu bilden.

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