Modekette Urban Outfitters "Jesus, zieh dich aus!"

  • von Claudia Charles
Marks & Spencers ist gescheitert, Gap ging kläglich unter, Abercrombie & Fitch zögert. Der deutsche Modemarkt gilt für ausländische Händlerketten als schwierig. Dennoch wagt jetzt der US-Riese Urban Outfitters den Vorstoß in die Bundesrepublik und eröffnet eine Filiale in Hamburg.

Es gibt Läden, die sind wie Sehenswürdigkeiten mit Kaufreflex: Kein Paris- ohne Colette-Besuch, kein London-Wochenende ohne Topshop-Visite und kein New-York-Trip ohne irgendetwas bei Urban Outfitters zu erstehen. Irgendetwas? Ja, ob ein Ghettopoly-Brettspiel, T-Shirts mit "Jesus, zieh dich aus"-Aufdruck oder tragbare Koffer-Plattenspieler - ein Mitbringsel von Urban Outfitters ist wie eine Trophäe aus einer fremden Stadt. Und der Beweis, dass man einen der wenigen coolen Läden kennt, den die US-Warenwelt zu bieten hat. Nun eröffnet die Kette, die deutsch "städtischer Ausstatter" heißt, ihre erste Filiale in Deutschland. Doch lässt sich der schräge Andenken-Charme an den Hamburger Gänsemarkt exportieren?

1970 gründete Richard Hayne Urban Outfitters in Philadelphia. Damals versorgte er aus einem Reihenhaus in Campus-Nähe Studenten mit dem Nötigsten: Secondhandklamotten und neuen Kleidern, Deko und Haushaltswaren. Das wild gemischte Sortiment faszinierte die Käufer, aus dem Tante-Emma-Laden wurde eine US-weite Ladenkette, die 1998 nach London exportierte. Das Grundkonzept blieb.

Die Verkäufer unterscheiden sich kaum von ihrer Kundschaft

Ein Urban-Outfitters-Shop ähnelt der Wohnung eines chaotischen Freundes mit Sammelwut und Hang zum Kitsch. Am Eingang hängen Designer-Schals neben vermeintlich selbst Gestricktem, darunter türmen sich Schuhberge, weiter vorne steht ein Tischchen mit Kaleidoskopen, lila Lippenstiften und Schaumstoffradios. Man kann alles anfassen, ausprobieren - und kaufen. Auch das Tischchen mit dem Radio. Die Verkäufer unterscheiden sich kaum von ihrer Kundschaft und erzeugen ein pseudo-freundschaftliches Flair, das zum Stöbern und Verweilen einladen soll. Nach Schulschluss lungern etliche Teenager vor CD-Regalen und Umkleidekabinen herum und wühlen sich durch Kleiderberge.

Mit dieser Atmosphäre und ganz ohne Werbung lockt das Unternehmen trendbewusste Kunden zwischen 13 und 35 in weltweit über 140 Läden, hat seinen Umsatz in den vergangenen drei Jahren auf etwa 1,2 Milliarden Dollar verdoppelt und gilt als börsennotiertes Händlerwunder. Kein Wunder, dass sich Urban Outfitters trotz fulminanter Deutschlandpleiten anderer Händlerriesen wie Gap oder Marks & Spencers auf den als schwierig geltenden Modemarkt traut.

"Wir werden das schon hinkriegen hier in Hamburg", gibt sich der kaufmännische Direktor Hugh Wahla siegessicher. "Und es werden Läden in Berlin und anderen deutschen Städten folgen." 16 Filialen hat Urban Outfitters bereits in Europa, die meisten in Großbritannien, aber auch nach Irland, Belgien, Dänemark und Schweden wurde bereits expandiert.

"Europäer kaufen anders als Amerikaner"

Nun haben die Ausstatter den deutschen Markt ins Visier genommen - und die Erwartungshaltung ist groß: Immerhin gilt die Kette als Kult-Laden. Doch wer ersteht in der heimischen Fußgängerzone schon den gleichen Nippes wie im Urlaub? "Europäer kaufen ohnehin anders ein als Amerikaner", sagt der Brite Wahla. "Sie sind anspruchsvoller und qualitätsbewusster." Deshalb sind europäische Urban Outfitters anders bestückt, das Sortiment mit höher preisigen Marken wie Vivianne Westwoods Zweitlinie "Anglomania", "See by Chloe" oder "APC" zielt auf eine etwas ältere Kundschaft.

"Wir wollen und können nicht mit Läden wie Topshop oder H&M konkurrieren", erklärt Wahla die Anpassung. In den USA sind Ketten wie Zara, H&M und Co. noch kaum verbreitet, dort statten Urban Outfitters Schüler und Studenten mit günstigen Klamotten aus. Doch in Europa, wo sich in den Fußgängerzonen eine günstige Modeketten an die andere reiht, braucht Urban Outfitters ein anderes Konzept.

Ein wohldosiertes Sortiment an Firlefanz wird es wohl auch im ersten deutschen Laden noch geben, aber die Hamburger sollen erstmal mit einem schicken Mix an bekannten Marken in den gestylten Laden gelockt werden. "Wenn den Kunden unser erstes Sortiment nicht gefällt, werden wir es so lange ändern, bis die Menschen sich wohl fühlen im Shop", sagt Wahl. Dass sie Durchhaltevermögen besitzen, haben Urban Outfitters bereits in London bewiesen: Dort feilten die Verantwortlichen neun Jahre lang an der Mischung aus Kleidern, Wohnaccessoires und Geschenkartikeln, bis der Laden endlich rentabel wirtschaftete. Inzwischen gibt es drei Filialen in der britischen Hauptstadt.

Nun haben die Türen der ersten deutschen Dependance geöffnet. Und eines steht fest: Sollten Urban Outfitters auf dem deutschen Markt zur festen Größen werden, darf man sie von der Liste begehrter Souvenirshops getrost streichen.

PRODUKTE & TIPPS