Von der Leyen will EU-Mercosur-Abkommen unterzeichnen

EU-Kommissionschefin von der Leyen
EU-Kommissionschefin von der Leyen
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Nach jahrelanger Hängepartie steht die Unterzeichnung des EU-Mercosur-Abkommens offenbar kurz bevor. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen traf dazu am Donnerstag in Lateinamerika zu einem Gipfel der Mercosur-Staaten ein. "Die Ziellinie des EU-Mercosur-Abkommens ist in Sicht", schrieb von der Leyen im Onlinedienst X. Sie wolle diese nun überschreiten. Scharfer Protest kam aus Frankreich: Präsident Emmanuel Macron nannte den Vertragsentwurf "inakzeptabel".

Von der Leyen betonte, sowohl die EU als auch die Mercosur-Gruppe würden von einem Abschluss des Freihandelsabkommens profitieren, das seit 25 Jahren verhandelt wird. "Wir haben die Möglichkeit, einen Markt mit 700 Millionen Menschen zu schaffen", schrieb sie. Die Mercosur-Staaten, die Teil des Abkommens sind, sind Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.

Im Kern sieht das EU-Mercosur-Abkommen den Wegfall der meisten Zölle vor. Zu den Profiteuren werden unter anderem deutsche Autohersteller und die Chemieindustrie gezählt. Deutschland dringt deshalb seit Jahren auf den Abschluss. 

Macron bekräftigte dagegen seinen Widerstand. Der Elysée-Palast schrieb auf X, der Präsident habe mit von der Leyen gesprochen und ihr erneut gesagt, das Abkommen sei "in seiner jetzigen Form inakzeptabel".

Frankreich ist politisch allerdings geschwächt, Macrons Regierung wurde gerade erst durch ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt. Politische Beobachter warnen, ein jetziger Abschluss des Mercosur-Abkommens könnte vor allem den Rechtspopulisten von Marine Le Pen nützen. Der Chef von Le Pens Partei Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, nannte von der Leyens Vorgehen umgehend eine "Provokation".

Auch Polen und Italien hatten zuletzt Kritik geäußert. Paris, Rom und Warschau fürchten Nachteile für ihre Bauern, vor allem durch billigere Rindfleisch- oder Geflügelimporte aus Südamerika. Auch Umweltschützer haben Bedenken und warnen etwa vor der weiteren Rodung des brasilianischen Regenwaldes für den Anbau von Gen-Soja.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) drückt dagegen aufs Tempo: "Wir müssen das Freihandelsabkommen Mercosur jetzt nach über 20 Jahren mal endlich fertig kriegen", hatte er im November beim G20-Gipfel in Rio gesagt. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) drängte von der Leyen am Dienstag in Brüssel zum Abschluss.

Teile der Grünen sehen den Mercosur-Vertrag allerdings skeptisch. Die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini erklärte, der Klimaschutz und der Schutz des Amazonas-Regenwaldes müssten "eine zentrale Rolle in dem Abkommen spielen". Sie halte es zudem für "einen großen Fehler", wenn von der Leyen das Abkommen gegen Widerstand in der EU durchsetze. "Das wird die Instabilität und die Europaskepsis in Ländern wie Frankreich und Polen befeuern", warnte sie.

Die Mitgliedsländer und das Europaparlament müssen dem Abkommen zustimmen. Frankreich versucht laut Diplomaten hinter den Kulissen, eine sogenannte Sperrminorität zu organisieren, um einen EU-Beschluss zu verhindern. Dafür wären insgesamt vier Mitgliedsländer nötig, die mindestens 35 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Dies könnte Paris mit Hilfe von Italien, Polen und einem weiteren kleinen Land gelingen.

Darüber kann sich von der Leyen im Anschluss an den Mercosur-Gipfel direkt mit Macron selbst austauschen. Sie wird nach Angaben einer Kommissionssprecherin am Samstag in Paris erwartet. Dort nimmt sie an der Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame teil.

AFP