"Staatsbesuch" in Berlin Hemdsärmlig im öffentlichen Haus

Rund 100.000 Besucher wollten sehen, "wo wir arbeiten und ein bisschen, wie wir arbeiten", so Kanzler Schröder am Tag der offenen Tür im Berliner Regierungsviertel. Proteste gegen seine Arbeit blieben mehr oder weniger aus.

Mehr als 100.000 Menschen haben am Wochenende in Berlin die Chance genutzt, der Regierung bei ihrer Arbeit über die Schulter zu sehen. Am ersten von zwei Tagen der Offenen Tür unter dem Motto "Einladung zum Staatsbesuch" wurden am Samstag 70.000 Besucher gezählt. Am Sonntag kamen nach Angaben eines Regierungssprechers abermals Zehntausende. Genauere Zahlen gab es zunächst nicht. Das meiste Interesse zeigten die Polit-Touristen am Kanzleramt. Dort mussten die Besucher deutlich mehr als eine Stunde auf den Einlass warten.

Schröder mit Applaus empfangen

Trotz der anhaltenden Kritik an der Arbeitsmarktreform Hartz IV wurde Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit Applaus empfangen. "Wir wollen das Amt zeigen und deutlich machen, dass es ein öffentliches Haus ist", sagte Schröder, der die Bürger gemeinsam mit dem neuen Teammanager der deutschen Fußball-Nationalelf, Oliver Bierhoff, begrüßte. Die Menschen sollten sehen, "wo wir arbeiten und auch ein bisschen, wie wir arbeiten", so der Regierungschef.

Abgesehen von einem Gewerkschafter mit Fahne und einem lautstarken Abtreibungsgegner gab es im Garten des Kanzleramtes zunächst keine Proteste. Vor dem Dienstsitz von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) versammelten sich einige wenige Demonstranten, die Hartz IV auf Transparenten als "neoliberale Enteignung" kritisierten. Die von der Globalisierungsgegner-Organisation Attac angekündigten Proteste fielen deutlich geringer aus als erwartet. Ein Attac-Sprecher hatte zuvor mit "mehreren Hundert Teilnehmern" gerechnet.

Clement verschob seinen Besuch auf den Nachmittag

Clement verlegte seinen öffentlichen Auftritt kurzfristig ohne Angaben von Gründen vom Vor- auf den Nachmittag. Verkehrsminister Manfred Stolpe, dessen Behörde direkt gegenüber residiert, mischte sich unters Volk und blieb von den Demonstranten unbehelligt.

Auch mehrere andere Ressortchefs zeigten ihr Haus den Besuchern persönlich. Als erste öffneten schon am Samstag Finanzminister Hans Eichel (SPD) und Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) die Türen. Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) wurde beim Rundgang über das Festgelände von einem Mann gestellt, der mit einem Plakat gegen den Ausbau des Berliner Flughafens Schönefeld protestierte.

Kindersitze im Eurofighter

Im Gesundheitsministerium beantwortete Hausherrin Ulla Schmidt (SPD) eineinhalb Stunden lang die Fragen der Besucher. Am Verteidigungsministerium konnten Kinder im Eurofighter Platz nehmen und im Hubschraubersimulator üben. Beschäftigte des Zentrums für Nachwuchsgewinnung schenkten dem Verteidigungsminister Struck einen Fußball mit Unterschriften der Bundesligaspieler von Hertha BSC, den er sofort an einen Jungen aus dem Publikum weitergab.

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