"Unhygienisch" nennen es die Medien, "krank" und "ekelhaft" nennen es die Menschen in sozialen Netzwerken. Auf Twitter, Instragam und TikTok haben sich in den vergangenen Tagen Videos aus japanischen Sushi-Restaurants verbreitet, in denen Kunden sich auf ziemlich widerliche Art am Essen anderer Gäste vergehen. All die Vorfälle, die unter dem Begriff "Sushi Tero" ("Sushi Terrorismus") viral gingen, ereigneten sich Lokalen, in denen die japanische Spezialität auf Fließbändern zum Kunden kommt.
"Sushi–Terrorismus" löst landesweiten Ärger aus
Eine der Aufnahmen zeigt einen blonden Teenager, der den offenen Deckel einer Sojaflasche und den Rand einer Teetasse ableckt, bevor er beides auf das Fließband zurückstellt. Das Video wurde in einer Filiale der führenden Sushi-Kette "Sushiro" in der Innenstadt von Gifu gedreht und zunächst in einer Instagram-Story geteilt, bevor es sich in rasender Geschwindigkeit online verbreitete und schließlich in den nationalen und internationalen Nachrichten auftauchte. Über 40 Millionen Klicks zählt der Clip mittlerweile.
Wenig später tauchten ähnliche Videos auf, teilweise mit älteren Zeitstempeln. Die Szenen sind aber mindestens genauso abstoßend. Ein Mann, der den Finger in den Mund nimmt und anschließend zwei vorbeifahrende Stücke Fisch berührt. Ein Kunde, der das Sushi eines anderen heimlich mit Wasabi bestreicht. Menschen, die den Löffel eines gemeinsam genutzten Behälters voller Grünteepulver ablecken. Fast schon harmlos scheinen dagegen die Aufnahmen, in denen Gäste das Essen anderer Kunden vom Band stehlen.
Betreiber der Lokale schalten die Polizei ein
Die Bilder haben in Japan, das für seine hohen Sauberkeits-Standards bekannt ist, einen Aufschrei ausgelöst. Die gesamte Sushi-Branche besitzt nach Angaben des "Guardian" einen geschätzten Wert von 740 Milliarden Yen (etwa 5,7 Milliarden US-Dollar). Nachdem das Video des blonden Jungen veröffentlich worden war, brach die Aktie der Muttergesellschaft von "Sushiro" um fast fünf Prozent ein. Die Betreiber der Lokale sind alarmiert und haben die Polizei eingeschaltet. "Als Unternehmen werden wir sowohl in Straf- als auch in Zivilsachen entschlossen reagieren", zitiert die BBC die Sushi-Kette. Der blonde Teenager habe sich inzwischen entschuldigt, dennoch reichte "Sushiro" laut Medienberichten eine formelle Polizeibeschwerde ein.
Zwei weitere Ketten, "Hama Sushi" und "Kura Sushi", haben ebenfalls angekündigt, rechtliche Schritte einzuleiten. Erstere habe laut "Japan Times" wegen eines Videos, das Anfang Januar in Umlauf gebracht worden war, eine Schadensanzeige bei der Polizei eingereicht. Die in den Videos dargestellten Handlungen "können einer betrügerischen Geschäftsbehinderung gleichkommen", sagte Hiroaki Aratake, ein Anwalt, der sich mit Rechtsangelegenheiten im Gastronomiebereich auskennt, der Zeitung. "Kura Sushi" plant, zur besseren Überwachung der Kunden Kameras über den Förderbändern zu installieren. Zudem haben die Vorfälle eine Debatte darüber losgetreten, ob solche "auf Vertrauen basierenden Unternehmen" wie Fließband-Restaurants "in einer ausgefransten Gesellschaft" überhaupt noch existieren können, berichtet die "Japan Times".
"Terror" in der Gastronomie ist kein neues Phänomen
Sushi-Restaurants mit Fließband sind in Japan seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der landestypischen Gastronomie. Die betroffenen Restaurants erfahren viel Unterstützung und Zuspruch. Online haben zahlreiche Menschen, unter anderem mit dem Hashtag #saveSushiro, ihre Unterstützung für die Restaurant-Kette demonstriert. Der Präsident der Firma, Kohei Nii, sagte, er sei überwältigt von der Anteilnahme und twitterte: "Ich bin so dankbar, dass ich weinen könnte." Dennoch haben die Videos das Unternehmen veranlasst, über die Art und Weise, wie das Sushi serviert werden soll, nachdenken. Unmittelbar nach dem Vorfall habe das Lokal laut "Guardian" alle Flaschen Sojasoße ausgetauscht und Tassen erneut gespült. Gewürze und Besteck liegen nicht mehr auf den Tischen aus, sondern sollen an einem Ausgabepunkt abgeholt werden.
Woran erkennt man eigentlich gutes Sushi?

Beim Sushi geht es nur bedingt um den Fisch, sonder vielmehr um den Reis. Der ist speziell kalt gesäuert und gesüßt. Die genaue Rezeptur ist das Geheimnis eines jeden Sushimeisters. Berühmt geworden ist Sushi hierzulande übrigens als Nigiri, also Reis, der als Reisballen geformt und mit rohem Fisch serviert wird.
Das Phänomen an sich ist nicht neu. Es sei lediglich ein "Zweig" des "Baito Tero", des "Teilzeitjob-Terrorismus", schreibt die "Japan Times". Dieser Begriff bezieht sich auf Personen, die allgemein in Restaurants und Convenience-Stores unverschämtes Verhalten an den Tag legen und schon seit Jahren öffentliche Wut schüren. Durch die Allgegenwärtigkeit des Smartphones und von Apps, die auf kurze Aufmerksamkeitsspannen gepolt sind, nehmen solche "absurden und störenden Inhalte" stetig zu. Der "Sushi Terror" reihe sich ein in eine Welle von Dummheiten, die für die Aufmerksamkeit von TikTok-Nutzern inszeniert werden, mutmaßt der Artikel. Solange Aufmerksamkeit "die Hauptwährung des Internets ist", werden die unterschiedlichen Formen des "Tero" im Trend bleiben, prophezeit die "Japan Times".
Quellen:BBC, "Japan Times" (I), "Japan Times" (II), "The Guardian"