Anti-Raucher-Gesetz Italien muss rauchfrei Espresso trinken

Die Italiener, ein Volk fröhlicher Raucher, müssen sich auf einiges gefasst machen. Ab sofort sollen sie beim Espresso an der Bar oder nach Pizza und Pasta auf die Zigarette verzichten - ansonsten müssen die Wirte bis zu 2200 Euro Strafe zahlen.

Kein anderes Thema hat in jüngster Zeit derart die Gemüter der Italiener erhitzt wie das Tabakgesetz. "Talibanisch", "maoistisch", "illiberal" und "falsch" sei die Initiative des Gesundheitsministers Gerolamo Sirchia, weil sie Raucher und Nichtraucher gegeneinander aufbringe. Seit diesem Montag ist trotz der beißenden Kritik und drohendem Widerstand im ganzen Land ein drakonisches Rauchverbot in Kraft getreten. In den 200.000 Restaurants und Cafébars darf nicht mehr gequalmt werden - mit Ausnahme in separaten Raucherräumen mit eigener Lüftung. Die Regierung in Rom meint es diesmal offenbar ernst. Schon von Mitternacht an will sie mit Razzien auf strikte Einhaltung des Gesetzes pochen.

22-Jähriger muss 27 Euro Strafe zahlen

Kurz nach Mitternacht hagelte prompt das erste Bußgeld in Neapel. Ein 22-Jähriger wurde in der Bar in Piazza Vanvitelli von einer Gruppe Verbraucherschützern aufgespürt, als er sich nach einem Espresso genüßlich eine Zigarette angesteckt hatte. Der frisch Ertappte wurde angezeigt und musste 27 Euro Strafe zahlen. Die Razzia des Vereins "Wir Verbraucher" erwischte auch einen Barbesitzer, der mit 50 Euro Bußgeld wegkam, weil er es unterlassen hatte, ein Rauchverbotsschild in seinem Lokal anzubringen. Verbandschef Pisani drohte illegalen Paffern mit Schadensersatzklagen und entsandte ein Heer von Inspektoren, "Smokebusters", in die Stadt am Vesuv.

Auch bei den Polizeirevieren Italiens wurden bislang nur wenige Anzeigen erstattet. Erst ab morgen Nachmittag soll es gezielte Kontrollen durch die Ordnungshüter geben. Auch die Gesundheitsämter haben angekündigt, Bars und Restaurants zu überprüfen. Auf die Mithilfe der Lokalbesitzer, die dazu verpflichtet wären, können sie allerdings nicht hoffen. "Wir wollen schließlich nicht den Sheriff spielen", sagte Verbandschef Edi Sommariva.

Medienwirksames Protestrauchen

Das Anti-Rauch-Gesetz hat den Eifer militanter Nichtraucher voll entfacht, die ihre Organisationen zur Überwachung des Verbots mobilisieren. Auf der anderen Seite der Barrikade sammelt sich der Protest der eingefleischten Raucher. Kaum war das neue Gesetz in Kraft getreten, starteten die Stammgäste in Bars und Restaurants ihre Aktionen. Im Showroom Mithia in Mailand entzündeten 200 Gegner um Punkt zwölf medienwirksam vor laufenden Kameras Zigaretten, Zigararillos, Zigarren und Pfeifen unter einer großen Tafel mit der Aufschrift: "10. Januar 2005, 24.01 Uhr, Beginn des Rauchverbots".

Dem Protest schlossen sich Prominente an wie Literatur-Nobelpreis-Gewinner Dario Fo und der Musiker Lucio Dalla und sogar Mitglieder der eigenen Regierung. . "Ich rauche bei Tisch. Wenn die Restaurants meinen Rauch nicht mehr wollen, dann kriegen sie mich auch nicht als Gast", empört sich Verteidigungsminister Antonio Martino. Der Minister solle lieber den Rauchern helfen, sich ihr Laster abzugewöhnen, meinte ein Leser des "Corriere della Sera", anstatt uns mit einer demagogischen Kampagne nervös zu machen mit dem Effekt, dass man noch mehr rauche.

Strengstes Anti-Nikotin-Gesetz in Europa

Ausgerechnet Italien, einst als Land fröhlicher Raucher bekannt, beglückt seine Bürger mit einem der strengsten Anti-Nikotin-Gesetze in ganz Europa. Etwa 26 Prozent der erwachsenen Italiener sind Raucher. Sirchia hofft, diesen Anteil zu reduzieren, wie es in Irland schon gelungen ist. Dort trat am 29. März ein totales Rauchverbot am Arbeitsplatz in Kraft, das auch für Bars und Restaurants gilt. Selbst abgesonderte Raucherecken wurden verboten. Das Ergebnis: Rund 7000 Iren haben seitdem das Rauchen ganz aufgegeben, und weitere 10.000 rauchen wesentlich weniger, wie der aus Irland stammende bisherige EU-Gesundheitskommissar David Byrne mitteilt.

Die strengen Auflagen für die Gaststätten bereitet den Bertreibern aber ein Problem: Medienberichten zufolge können nicht einmal fünf Prozent der Lokale mit Raucherräumen aufwarten. Bis zuletzt versuchten Wirte von Restaurants, Pizzerien und Bars, die "Zeitenwende" per Gericht zu verhindern. Sie stört vor allem, dass sie gegen aufsässige Gäste vorgehen müssen, die trotzdem zum Glimmstengel greifen. Ansonsten müssen die Wirte bis zu 2200 Euro Strafe zahlen. Rauchende Gäste müssen dagegen nur mit bis zu 275 Euro Strafe rechnen - sind Schwangere und Kinder dabei, verdoppelt sich die Buße.

Südtirol hat das Gesetz erst einmal eingefroren

Die autonome Region Südtirol hat das umstrittene Gesetz erstmal bis Juli eingefroren, um den Restaurantbesitzern Zeit zu geben in ihren Lokalen gut belüftete Raucherzonen zu schaffen. Im Norden verfügen acht Prozent der Gaststätten über getrennte Räume, in Mittelitalien sechs und im Süden gerade einmal vier Prozent. Nach einer Umfrage sind aber nur zwei Prozent der Wirte bereit, in die rund 20.000 Euro teuren Belüftungsanlagen zu investieren. Die meisten Barbesitzer werden ein Schild "Rauchen verboten" anbringen und es dem Gast überlassen, sich daran zu halten oder auch nicht. Ganz so wie in den öffentlichen Gebäuden wie Ministerien, Bahnhöfen, Banken, wo zwar seit einiger Zeit schon rauchen verboten ist, die Bediensten aber ungerührt weiter paffen.

Luisa Brandl mit Material von DPA

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