Die Weltpolitik hat dieser Tage längst deutsche Supermärkte und Kneipen erreicht: Von Colgate-Zahnpasta über Whiskas-Katzenfutter bis Johnny Walker-Whiskey - nach dem Willen mancher Kriegsgegner soll nichts aus amerikanischer Herstellung mehr gekauft werden. "Schwarze Listen" der Produkte machen per Email und Handy-SMS die Runde, und so mancher deutsche Wirt schenkt mittlerweile keine Coca-Cola mehr aus.
"Kauft nicht vom Ami!" lautet der Aufruf auf Internetseiten und Flugblättern. Die Kriegsgegner hoffen, "Einfluss auf die amerikanische Wirtschaft zu nehmen, und so eine neue, demokratischere Entwicklung in Amerika einzuleiten", heißt es beispielsweise auf der Webseite "www.amerika-boykott.com". Allerdings kritisieren auch viele Friedensaktivisten in Deutschland die Aufrufe als anti-amerikanisch und feindselig.
Boykott-Aktionen als Retourkutsche
Die Boykott-Aktionen sind wohl auch zum Teil eine Retourkutsche. Seit Wochen wettern Autoren aus den USA und Großbritannien auf Internetseiten wie www.germanystinks.com ("Deutschland stinkt") massiv gegen Deutschland und Frankreich, die "Feiglinge" in Europa. Und schon vor Kriegsbeginn verlangten US-Kongressabgeordnete einen Verzicht auf deutsche Autos sowie französischen Käse und Wein - als Strafe für mangelnde Kooperation in der Irak-Krise. Einer Umfrage des Instituts polis zufolge würde auch jeder Zehnte in Deutschland auf US-Produkte verzichten. Allerdings hielten 72 Prozent der Befragten nichts vom Boykott.
Ein Hauptziel der weltweiten Boykott-Aufrufe ist die Fastfoodkette McDonald’s. Der Appetit ihrer Kunden auf BigMac und Co. hat jedoch offenbar kaum nachgelassen: "Wir checken jeden Tag unsere Zahlen und sind auf gutem Kurs", berichtet McDonald's-Sprecherin Ricarda Rücker. Der Darmstädter Fahrradhersteller "Riese und Müller" machte indes Ernst. Er stornierte kürzlich Aufträge bei drei amerikanischen Zulieferern. Die Entscheidung hätten die rund 30 Mitarbeiter getroffen, hieß es in der Firma. Sie wollen die Geschäftsbeziehungen erst wieder aufnehmen, wenn sich die US-Unternehmen gegen den Militäreinsatz aussprechen. Geantwortet hat erst einer. Der Irak- Krieg werde in der Belegschaft durchaus kontrovers diskutiert, hieß es. Öffentlich Stellung werde die Firmenleitung aber nicht beziehen.
"Unser Protest richtet sich gegen die Regierungspolitik"
In Deutschland sind unterdessen große Organisationen wie die Umweltschützer von Greenpeace und das globalisierungskritische Netzwerk Attac - sonst nicht um Protestaktionen verlegen - gegen einen Boykott. "Unser Protest richtet sich doch nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger, sondern gegen die Regierungspolitik", betonte Attac-Sprecher Christoph Bautz in einem Zeitungsinterview. Auch innerhalb der Kirche sind die Meinungen geteilt: Das bekam auch der Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky zu spüren. Er hatte den Verzicht auf amerikanische und britische Waren als gutes "Zeichen" befürwortet. Es hagelte Kritik von der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Deren Ratsvorsitzender Manfred Kock unterstrich, die Kritik am Kriegskurs dürfe nicht anti-amerikanisch werden.
Besonders eifrige Kriegsgegner wollen den Protest nun sogar auf die Sprache ausweiten: Englische Ausdrücke sollen im Deutschen durch französischen Wörter ersetzt werden, fordern Sprachwissenschaftler. Statt "Ticket" könne man "Billet" sagen, statt "Box" lieber "Karton" - das sei eine friedliche Form des Anti-Kriegs- Protests, sagt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft "Sprache in der Politik", Armin Burkhardt. Er empfiehlt etwa "Trikot" statt "T- Shirt", "Pointe" statt "Gag", "d’accord" statt "okay" und "Etikett" statt "Label". Wer seinen Wortgebrauch dergestalt ändere, meint Burkhardt, demonstriere deutsch-französische Solidarität in der Irak-Frage.