Michel Friedman, der Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, steht unter Drogenverdacht. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren wegen mutmaßlichen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet, sagte Justizsprecher Björn Retzlaff am Mittwoch. Damit bestätigte er einen Bericht der Zeitung "Die Welt" (Donnerstag). Von Friedman selbst war am Mittwochabend zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Rauschgiftpäckchen mit Drogenrückständen
Am Mittwoch waren nach Angaben des Berliner Justizsprechers die Rechtsanwaltskanzlei und Privaträume von Friedman in Frankfurt/Main durchsucht worden. Dabei seien drei fast leere Rauschgiftpäckchen entdeckt worden, in denen sich aber noch Drogenrückstände befanden. Weitere belastende Funde seien nicht gemacht worden.
Einzelheiten zum Inhalt der Päckchen gab es zunächst nicht. Die Drogenrückstände müssten chemisch noch näher untersucht werden, sagte Justizsprecher Retzlaff der dpa. Ob es sich dabei um Kokain handelt, könne man noch nicht sagen. Der Anfangsverdacht gegen Friedman hatte sich nach diesen Angaben in einem anderen Verfahren in Berlin ergeben, in dem Friedman kein Beschuldigter ist.
"Intolerante, gehässige" Auftritte
Der 47-jährige Friedman ist in der Jüdischen Gemeinde und im Zentralrat der Juden seit Jahren besonders engagiert tätig und einer breiteren Öffentlichkeit auch durch seine zahlreichen Medienauftritte bekannt geworden. Populär wurde seine Fernseh-Talkshow "Vorsicht! Friedman". Der vor kurzem bei einem Fallschirmsprung gestorbene FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann hatte Friedman wegen seiner "intoleranten, gehässigen" Auftritte in der Öffentlichkeit kritisiert und ihm indirekt eine Mitschuld am Zulauf des Rechtsradikalismus in Deutschland gegeben.
Der am 25. Februar 1956 in Paris geborene Friedman ließ sich 1988 in Frankfurt am Main als Rechtsanwalt nieder und ist seit 1990 im Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland. Nach dem Tod des langjährigen Zentralratspräsidenten Ignatz Bubis wurde er im Januar 2000 zu einem der Vizepräsidenten des Bubis-Nachfolgers Paul Spiegel gewählt.
Kein Leisetreter auf dem politischen Parkett
Michel Friedman ist kein Leisetreter auf dem politischen Parkett. Weder als Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland noch in seiner Talk-Show "Vorsicht! Friedman" oder in seiner Partei, der CDU, hält er mit seiner Meinung hinter dem Berg. Kritik ist er gewöhnt.
Friedman ist im öffentlichen Leben in mehreren Rollen präsent: Als Vizepräsident leiht er seit Januar 2000 dem Zentralrat der Juden in Deutschland seine eloquente Stimme. Als Talk-Show-Moderator nimmt er seine Gesprächspartner kräftig in die Mangel. Mit stets gebräuntem Teint, gegeltem Haar und top-modischer Kleidung sorgt der 47-Jährige auch immer wieder in den Klatschspalten für Schlagzeilen - nicht zuletzt mit seiner Beziehung zur TV-Kollegin Bärbel Schäfer. Weniger hört man von Friedman, dem Frankfurter Anwalt.
"Lustvoller Provokateur"
Der 1956 in Paris geborene "lustvolle Provokateur" ("Die Woche") ist seit 1983 Mitglied der CDU. 1994 wurde er in den Bundesvorstand der Partei gewählt, 1996 scheiterte er mit einer neuerlichen Kandidatur. Ein unkritisches Parteimitglied ist er nicht: Nach dem Spendenskandal der hessischen CDU wechselte er 2000 aus Protest in den saarländischen Landesverband.
Auch international spielt Friedman eine beachtliche Rolle. Im November 2001 wurde er zum neuen Präsidenten des "European Jewish Congress" (Europäisch-Jüdischer Kongress) gewählt.