Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Büro, haben bereits mehrere Stunden konzentrierter Arbeit hinter sich und langsam kommt Müdigkeit auf. Plötzlich steigt Ihnen der Duft von frischem Kaffee und Zimt in die Nase – das riecht nach einer Pause. Ein paar Minuten, in denen Sie mit ihren Kollegen bei Kaffee und Gebäck entspannt plaudern können. Einmal am Vormittag und einmal am Nachmittag.
Fika steht für gesellige Auszeit
Was wie eine Traumvorstellung klingen mag, ist in Schweden für fast alle Arbeitnehmer Realität und fester Bestandteil des Arbeitsalltags. Die Auszeit hat sogar einen Namen. "Fika" ist ein traditionsreiches, soziales Ritual, das ein zwangloses Zusammenkommen beschreibt.
Von dem Heißgetränk leitet sich auch der Name ab. Der Begriff basiert auf dem altertümlichen, schwedischen Wort für "Kafi". Umherziehende Händler entwickelten im frühen 20. Jahrhundert eine Geheimsprache, indem sie Silben vertauschten. "Kafi" wurde damit zu "Fika". Im Laufe der Zeit etablierte sich die Kaffeerunde erst unter Hausfrauen. Nach und nach dann in der gesamten Gesellschaft. Die Tradition ist zu einer sozialen Institution geworden und fest im schwedischen Lebensstil verankert.
Fika sollte Arbeitsunfälle verhindern
Einzug in das Arbeitsleben erhielt die Fika in den frühen 1990er-Jahren, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die meisten Arbeitsunfälle gegen zehn und 15 Uhr passieren. Um das Risiko zu minimieren, führte man zu den jeweiligen Zeiten kurze Kaffeepausen ein. In den meisten schwedischen Unternehmen sind die Pausen fest eingeplant und sogar verpflichtend für die Mitarbeiter.

Mehr noch: Die kurze Ruhezeit ist den Arbeitnehmern sogar gesetzlich zugesichert. Mit jeder vollen Stunde Arbeitszeit verdient sich der Angestellte quasi fünf Minuten Pause. "Eine Fika, an der jeder teilnimmt, spielt eine wichtige Rolle am Arbeitsplatz", erklärt Viveka Adelswärd, Professorin für Kommunikation an der Universität Linköping.
"Es bedeutet eine Auszeit von der Arbeit. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber profitieren davon", erläutert die Forscherin in einem Text der Hochschule. Denn die kurze Arbeitsunterbrechung verringert nicht nur die Verletzungsgefahr, sondern steigert auch die Produktivität. Das Vorurteil, dass Arbeitnehmer mit mehr Pausen weniger schaffen, gilt in der Forschung schon längst als widerlegt. "Das Gegenteil ist der Fall", sagt Adelswärd.
Pausen fördern die Produktivität
Solchen Zusammenkünften seien förderlich für die Effizienz auf der Arbeit. Studien haben das mehr als einmal belegt. Dr. Johannes Wendsche, Psychologe bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, wertete 160 Untersuchungen aus den vergangenen 25 Jahren aus, die sich genau mit diesem Thema beschäftigten.
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Ergibt ca. 2 Liter Sirup: 2 l Wasser, 40-50 große Holunderblüten, 700 g Bio-Zucker, 4 ganze Bio-Zitronen, in dünne Scheiben geschnitten
Holunderblüten kräftig schütteln, um Staub und Krabbeltiere loszuwerden, aber nie waschen, denn dadurch verlieren sie ihr Aroma. Wasser und Zucker in einen großen Topf geben und erhitzen, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Holunderblüten und Zitronenscheiben in einen großen Behälter geben und das Zuckerwasser darübergießen. Abdecken und mindestens 12 Std. in der Küche stehen lassen. Durch ein Seihtuch abseihen und in Glasflaschen in den Kühlschrank stellen.
Die Mehrheit der Studien kam zu den gleichen, positiven Auswirkungen, die kurze Auszeiten für den Arbeitnehmer haben. Leistung und seelisches Wohlbefinden steigen, während körperliche Beschwerden sowie Unfälle und Fehler zurückgehen. Kein Wunder, dann laut Psychotherapeut Gerhard Blasche von der Medizinischen Universität Wien entlasten die Pausen Körper und Geist und bringen mehr Achtsamkeit in den Arbeitsalltag.
Kurz komplett ausklinken
Da Müdigkeit vor allen zu Beginn der Arbeitsunterbrechung abgebaut werde, plädiert der Experte für mehrere, kurze Pausen. Die meiste Erholung stelle sich ein, "indem man sich vollständig und nicht allzu lange Zeit aus dem Arbeitsprozess ausklinkt‘", rät Neuroökonom Argang Ghadiri.
Mehrmals am Tag für ein paar Minuten abschalten – genau das ist das Konzept der schwedischen Fika. Solche Ruhepausen bedeuten auch einen kurzen Leerlauf für das Hirn. In der Zeit können neue Informationen verarbeitet und eingeordnet werden. Nicht selten löst das Denkblockaden, fördert die Lösung eines Problems zutage und kurbelt die Kreativität an. "Unser Gehirn braucht Pausen, um produktiv zu sein", betont Ghadiri.
Fika für das soziale Miteinander
Das merken auch die Angestellten selbst. Nach Angaben der Deutsch-Schwedischen Handelskammer fühlen sich 60 Prozent der Arbeitnehmer dank der kurzen Pausen produktiver bei ihrer Tätigkeit.

Legen die Schweden eine Fika ein, geht es aber nicht nur ums Unterbrechen der Arbeit, sondern auch um das Miteinander. Im Optimalfall nehmen alle im Betrieb teil – die Einladung zur Fika abzulehnen, gilt nämlich als unhöflich. Die ganze Belegschaft sollte dabei sein, sowohl Angestellte als auch Vorgesetzte, unabhängig von der jeweiligen Position. "Die Hierarchie löst sich während der Fika auf", erklärt Wissenschaftlerin Adelswärd.
"Management by Fika"
"In vielen Betrieben gibt es ein regelrechtes Management by Fika", stimmt Edward Blom, Experte für historische Esskultur in Schweden, zu. Das gemeinsame Kaffeetrinken sei ein Ausdruck der landestypischen, eher demokratischen Unternehmenskultur. Man begegne sich auf Augenhöhe.
Neben dem sozialen Aspekt tragen sicher auch die Arbeitszeiten der Skandinavier zu mehr Zufriedenheit bei. Aus dem "OECD Better Life Index", der das Wohlergehen in verschiedenen Ländern misst und vergleicht, geht hervor, dass gerade einmal ein Prozent der Arbeitnehmer Überstunden machen.
Sechs Stunden statt acht
Einige Unternehmen haben die Arbeitszeit sogar reduziert. Ein Pilotprojekt in einem Altenheim in Göteborg zeigte bereits 2017 die Vorteile kürzerer Arbeitstage. Für zwei Jahre hatten die Pfleger sechs Stunden statt acht gearbeitet. Forscher hatten den Versuch begleitet und festgestellt, dass die Krankheitsrate zurückging und das Personal sich zufriedener und weniger gestresst fühlte. Auch die Betreuten profitierten, denn die Angestellten hätten plötzlich mehr Aktivitäten für die Bewohner organisiert.
Aus Kostengründen beendete die Stadt das Projekt nach Ablaufzeit. Doch die Ergebnisse sorgten für Aufsehen, sodass das Experiment auch in anderen Branchen und Gemeinden des Landes durchgeführt wurde. Einige schwedische Start-ups haben den Sechs-Stunden-Tag bereits zum Standard erklärt.
Schweden eines der glücklichsten Länder
Kaum Überstunden, stattdessen kurze und gesellige Kaffeepausen. Kein Wunder, dass die Schweden weltweit als einer der am wenigsten gestressten Arbeitnehmer gelten. Das allgemeine Wohlbefinden in dem skandinavischen Staat ist überdurchschnittlich hoch.

Im "Better Life Index" schneidet Schweden in fast allen Kategorien mit Bestnoten ab. Auf einer Skala, die die generelle Lebenszufriedenheit von null bis zehn darstellt, ordnen sich die Schweden bei 7,3 ein und damit höher als der Durchschnitt von 6,5. Auch im "Wold Happiness Report " landet Schweden regelmäßig auf einem der vordersten Ränge. Der von der UNO herausgegebene Report ermittelt jährlich, wo die glücklichsten Menschen leben. Die Antwort ist eindeutig Nordeuropa.
2020 belegte Schweden den sechsten Rang. Die Spitzenplätze sind ebenfalls von nordischen Ländern belegt: Finnland, Island und Dänemark führen das Ranking an. Deutschland folgt unmittelbar hinter Schweden. Wir sind also auf einem guten Weg. Vielleicht fehlt uns nur etwas mehr Geselligkeit und Achtsamkeit im Berufsleben, um mit den Skandinaviern gleichzuziehen.
Quellen: "Apotheken Umschau", BBC, BBC, Brainlight, Deutsch-Schwedische Handelskammer, OECD Better Life Index, Universität Linköping, World Happiness Report