In den vergangenen Jahren hat sich eine alarmierende Entwicklung am Great Barrier Reef gezeigt. In Folge von mehreren Bleichereignissen sind massenweise Korallen abgestorben. Neue Luftaufnahmen des Weltnaturerbes zeigen nun eine neue, schwere Korallenbleiche, die weite Teile des Riffs bedroht. Dr. David Wachenfeld, leitender Wissenschaftler im Great Barrier Reef Marine Park, spricht von einem "sehr ernsten Ereignis".
Die aktuellen Bilder zeigen, dass die Bleiche entlang des gesamten 2.300 Kilometer langen Riffs auftritt, besonders stark betroffen sei die zentrale Region zwischen Hinchinbrook Island und Bowen. Laut einem Bericht des "Guardian" seien die meisten Korallen in diesem Bereich bereits stark gebleicht. Experten befürchten die vierte Massenbleiche innerhalb von sechs Jahren.
Bereits im Jahr 2016 hinterließ ein Bleichereignis im nördlichen Teil des Riffs gravierende Schäden. Dort seien kaum noch lebende Korallen übrig, erläutert Wachenfeld. Bei der letzten Bleiche vor zwei Jahren sind nach Angaben der "Tagesschau" zwei Drittel des Riffs beschädigt worden. Die jüngsten Aufnahmen deuten auf ein ähnliches Ausmaß hin.
Great Barrier Reef leidet unter Klimawandel
"Im Moment ist das, was wir sehen, weit verbreitet und in einigen Teilen schwerwiegend, und das ist besorgniserregend", warnt Dr. Britta Schaffelke, Direktorin der Forschung zum Great Barrier Reef am Australian Institute of Marine Science im "Guardian". Die "Deutsche Stiftung Meeresschutz" wies vor einem Jahr ebenfalls darauf hin, dass Korallen besonders im Pazifik "in nie gekanntem Ausmaß" sterben. Ursache dafür ist die globale Erwärmung in Folge der steigenden Treibhausgasemissionen.

Korallen leben in Symbiose mit Algen, einer Gemeinschaft zweier Lebewesen, die sich gegenseitig Nutzen bringen. Die Alge wandelt Sonnenlicht in Zucker um, von dem sich die Koralle ernährt. Im Gegenzug bietet die Koralle dem Symbiose-Partner Schutz und mineralische Nährstoffe. Zu hohe Temperaturen bringen den Austausch aus dem Gleichgewicht. Denn bei beiden Lebewesen steigt mit der Temperatur auch der Bedarf an Nährstoffen, wie ein Forschungsteam um den Konstanzer Biologen Prof. Dr. Christian Voolstra in einer Untersuchung festgestellt hat.
Great Barrier Reef verliert seine Farben
"Sie werden sozusagen 'egoistisch' und halten die Nährstoffe für sich selbst zurück. Die Algen füttern ihren Wirt nicht mehr, die Symbiose ist gestört", erklärt Nils Rädecker, Erstautor der Studie. Langsam stoßen die Korallen dann die Algen – die für die bunten Farben sorgen – ab und bleichen damit aus. Die Korallen erreichen damit einen kritischen Punkt, an dem sich ihr Überleben entscheidet. Gebleichte Exemplare können sich theoretisch erholen. Aber ohne den Zucker aus den Algen sterben sie auf lange Sicht ab.
Ob die aktuelle Bleiche ein massenhaftes Sterben nach sich zieht, können die Wissenschaftler noch nicht sagen. Man müsse die Luftaufnahmen erst auswerten, bevor man ein Fazit ziehen könne, sagt Dr. Wachenfeld dem "Guardian". Die Wassertemperaturen hätten bisher zwischen 0,5 und 4,0 Grad über dem März-Durchschnitt gelegen, was für die Unterwasserwelt erheblicher Stress bedeutet. Trotzdem habe der Hitzestress seinen Höhepunkt noch nicht erreicht.
Neues Millionenpaket für das Great Barrier Reef – das Ausmaß der Zerstörung in Bildern

"Die Wetterlage in den nächsten Wochen wird entscheidend sein für das Gesamtausmaß und den Schweregrad der Korallenbleiche im gesamten Meerespark", heißt es in einem Bericht des "Great Barrier Reef Marine Park". Bis gebleichte Korallen absterben, können Monate vergehen, sodass die endgültigen Auswirkungen erst nach einiger Zeit zu sehen sein werden.
Bleichereignis eine "katastrophale Nachricht"
"Wenn wir Korallen retten wollen, reicht es nicht zu versuchen, gebleichte Korallenriffe zu stabilisieren", zitiert die "Deutsche Stiftung Meeresschutz" den Biologen Christian Voolstra. "Die Riffe müssen unterstützt werden, noch bevor die Korallen bleichen", fordert er. Dazu braucht es laut Umweltschützern -und Organisationen vor allem eine Maßnahme: die Reduktion der CO2-Emissionen.

"Dieses jüngste Bleichereignis hat erneut das Versäumnis der Regierung aufgedeckt, das Great Barrier Reef zu schützen", heißt es von Greenpeace Australien. Dr. Lissa Schindler, Riff-Aktivistin bei der "Australian Marine Conservation Society", bezeichnet das gegenwärtige Geschehen im "Guardian" als "katastrophale Nachricht". Dem stimmt auch der WWF zu. Bereits bei einer Erwärmung von 1,5 Grad seien die Aussichten für Korallen schlecht, bei zwei Grad sei das Schicksal der farbenprächtigen Tiere "so gut wie besiegelt".
UNESCO-Expertengruppe soll Great Barrier Reef begutachten
Australien hat eine der höchsten CO2-Emissionen pro Kopf und ist einer der größten Kohleexporteure der Welt. Während sich immer mehr Länder dem Kampf gegen die Erderwärmung verpflichten, sendet die konservative Regierung des Landes immer wieder Signale, dass man langfristig an fossilen Brennstoffen festhalten wolle.
Im vergangenen Jahr hatte die UNESCO in Erwägung gezogen, das Great Barrier Reef auf die Rote Liste des "gefährdeten" Welterbes zu setzen. Druck der australischen Regierung hatte das damals verhindert. Im kommenden Jahr soll erneut darüber beraten werden. Bereits in dieser Woche soll eine Expertengruppe der UNESCO nach Australien reisen, um das Riff zu begutachten.
Quellen: "Deutsches Stiftung Meeresschutz", Deutsche Presse-Agentur, "Great Barrier Reef Marina Park Authority", "Proceedings of the National Academy of Sciences", "Tagesschau", "The Guardian",