Der perfekt gestylte kaiserliche Backenbart des Berliners Karl-Heinz Hille zittert vor Aufregung. Doch die Fassung kann das Prachtstück nicht verlieren. Schließlich wurde es für die Weltmeisterschaft der Bärte in Carson City (US-Bundesstaat Nevada) mit einer ordentlichen Portion Haarlack in Form gebracht. Der 63 Jahre alte kaufmännische Angestellte holte mit seiner weißgrauen, geschwungenen Haarzierde gleich zwei Pokale: den Weltmeistertitel in der Kategorie "Kaiserlicher Backenbart" und den Superweltmeistertitel als Gewinner des Abends. Allein aus Deutschland reisten 54 Bärtige zu dem haarigen Wettbewerb an, der erstmals in den USA ausgetragen wurde.
120 kämpften um Titel
Über 120 Männer aus neun Ländern, darunter Österreich, Italien und die Schweiz, zeigten am Samstagabend (Ortszeit) Haare über den Zähnen. Der Älteste - mit 82 Jahren und schlohweißen Koteletten - kam aus London. Die längste Anreise - knapp 12.000 Kilometer - hatte ein Schnurrbartträger aus Hongkong. Mit einem staunenden "Wow" inspizierte Vollbartträger David Traver aus Alaska die starke europäische Konkurrenz. So viele kunstvoll in Form gebrachte Bärte hatte "Mr. Fur Face" (Pelzgesicht) noch nie zuvor gesehen.
Freistil-Kinnbart mit 1,40 Metern
Immerhin 1,40 Meter breit stand der Freistil-Kinnbart des Schweizers Jürg Biland schnurgerade ab - und holte sich in dieser Klasse den ersten Preis. Der Mannheimer Heinz Christofel, in einem leuchtend roten Freibeutermantel, hatte seinen Freistil-Vollbart gleich in fünf verschiedene Richtungen gekämmt, gelegt und gezwirbelt. Und der Berliner Jürgen Burkhardt, Backenbart-Weltmeister von 2001, stolzierte mit weit ausladenden Seitenrollen, Soldatenhelm und Degen über die Bühne.
Drei Stunden Bartpflege
17 Kategorien mit genauen Angaben, wo was wie wachsen darf und ob Hilfsmittel erlaubt sind, sehen die Richtlinien vor. So reiste der Friseurmeister Gerhard Knapp aus Pforzheim mit einem rosa Anzug und einem ganzen Koffer voller Utensilien nach Amerika. "Um drei Uhr bin ich schon aufgestanden und habe über drei Stunden dran gearbeitet", gesteht der frühere Kinnbart-Weltmeister: Waschen, Pflegen, aufwickeln, fest klemmen und mit Haarlack fixieren. Die Arbeit hat sich gelohnt. Mit 1,20 Meter Spannbreite und kunstvollen Rollen belegte er den zweiten Platz.
Sieben Schiedrichter
Auch die Schiedsrichter hatten es schwer. Sieben Laien, darunter Amerikas Ski-Weltmeister Daron Rahlves und die frisch gekrönte "Miss Nevada", hatten solche Kunstwerke noch nie zuvor gesehen. "Ich wusste gar nicht, dass Deutsche auf so etwas stehen", wunderte sich die Schönheitskönigin. Sie werde einfach aus dem Gefühl heraus entscheiden, denn über Bärte wisse sie wenig, bekannte die Jurorin.
Whisky für schnellen Bartwuchs
Gary Johnson, der mit Musketierbart, Revolver und Cowboyhut als "Buffalo Bill" antrat, hatte vor den "ernsten deutschen Jungs" keine Angst. Der Amerikaner verriet sogar sein Bartgeheimnis: "Ich trinke nur guten Whisky, dann wachsen die Haare schneller." Vielleicht ist es auch der deutsche Bartwachs, den Johnson eigens aus Deutschland an die US-Westküste einfliegen lässt. Der Weltmeistertitel ist jedenfalls in seiner Hand.
Nächste WM in Berlin
Mit acht World-Champion-Pokalen hatten die deutschen Bartträger auch bei der 6. Weltmeisterschaft wieder einmal die Nase vorn. Doch mit nur halb so vielen Pokalen ist bei den Amerikanern die Freude doppelt so groß. Schließlich sind es ihre ersten Weltmeister-Titel überhaupt. Der vollbärtige Präsident des Verbands deutscher Bartclubs, Wilhelm Preuß, gönnt ihnen "den Heimvorteil". "Aber bei der nächsten Weltmeisterschaft in Berlin (in 2005) müssen sie ihre Titel verteidigen." Dann wird sich zeigen, wo die Bärte schneller wachsen.