Julia Engelmann: "Jede Woche, Baby!" Kein Internet - was bleibt dann von mir?

Von Julia Engelmann
Der Bildschirm leuchtet, also bin ich. Aber was bleibt von mir, wenn ich Handy und Laptop für fünf Tage ausschalte? Ein Erfahrungsbericht.

Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, mein Handy und mein Laptop sind ein in meinem Alltag überpräsentes Fenster zur Welt. Wie eine Beatmungsmaschine, die mich am Leben hält. Die mich wach hält, bis ich einschlafe, und mich wach macht, damit ich aufstehen kann. Jede Push-Nachricht ein externer Pulsschlag, jeder offene Tab die Tür zu einer neuen Attraktion in einem unendlichen Vergnügungspark.

Lauter bewegte bunte Lichter, die mich anstrahlen wie glückliche Gesichter. Bunte Lichter, die mir zeigen, dass alles möglich ist und wie schön alles sein könnte. Die mir versprechen, dass ich nicht alleine bin und dass immer jemand an mich denkt. Die mir das Gefühl geben, auf einer Party zu sein, von der ich nicht wegwill, weil ich sonst etwas verpasse. Und deshalb gucke ich permanent hin wie eine Motte in eine Straßenlaterne. #dontjudgeme

Ich bin ein Firefox

Dabei ist dieses ewige Rumhängen vor dem Bildschirm nicht nur nervig für mein Umfeld und ein krasser Zeitfresser, sondern auch ein Fass ohne Boden, das mich nimmersatt, latent unruhig und meinen Biorhythmus kaputt macht. Ich bin keine Eule, ich bin keine Lerche, ich bin ein Firefox. Das fühlt sich falsch an, aber meist überwiegt trotzdem meine Erleichterung, weniger nachdenken zu müssen als sonst. Zwischen blinkenden Kirmesbuden kann man halt leichter vergessen, dass Nutella-Crêpe ungesund und es längst zu spät geworden ist.

Und manchmal frage ich mich: Was passiert, wenn all die bunten Lichter aus meinem Alltag verschwinden? Wenn der Reserve-Batteriestrom leer ist und ich kein Ladekabel anschließe. Wenn ich weder simse, skype, snapchatte, noch whatsappe. Wenn es still ist, weil ich still bin. Was bleibt dann von mir?

Internet-Detox-Kur verschrieben

Daher habe ich selbst vor 5 Tagen endlich Nägel mit Köpfen gemacht, mir eine Internet-Detox-Kur verschrieben und faste seitdem Handy und Laptop. Abgesehen davon, dass ich an Tag eins tatsächlich andauernd auf meinen uralten iPod geguckt und auf neue Nachrichten gehofft habe, läuft es ziemlich gut.

Julia Engelmann
© DPA

Julia Engelmann

Wurde 1992 geboren, wohnt in Bremen und studiert heute Psychologie. Seit einigen Jahren nimmt sie regelmäßig an Poetry Slams teil. Ein Video ihres Vortrags "One Day" beim Bielefelder Hörsaal-Slam wurde zum Überraschungshit im Netz 2014 und bisher millionenfach geklickt, geliked und geteilt. Anfang 2014 ging sie mit Tim Bendzko auf Tour. Neben dem Slammen gilt ihre Leidenschaft der Musik und der Schauspielerei - mehr als zwei Jahre spielte sie in der Soap "Alles was zählt" mit. Ihr Buch "Eines Tages, Baby" ist 2014 im Goldmann Verlag erschienen und schaffte es Anfang 2015 auf die "Spiegel"-Bestseller-Liste. (Foto: Marta Urbanelis)

Mein einzig präsentes Fenster zur Welt ist jetzt das in meiner Küche und das einzig bunte Licht ist die dauerflackernde Eingangslampe von Nr. 149 gegenüber. Nichts beatmet oder betäubt mich, dafür bin ich ruhiger und das fühlt sich richtig an. Ich werde mit der Dunkelheit müde und schlafe besser. Ich muss wieder mehr nachdenken - aber ich kann auch endlich wieder mehr nachdenken und das gefällt mir. Ich lese echte Bücher und treffe echte Freunde, die mich auf dem Festnetz anrufen. Und ich finde nicht unbedingt, dass alles viel schöner sein könnte, weil alles ganz schön schön ist.

Ja, seit all die bunten Lichter aus sind, ist mir also viel Gutes passiert. Was von mir geblieben ist? Ohne Handy und Laptop bin ich überraschenderweise dieselbe Person. Vielleicht sogar noch ein bisschen näher bei mir. Für immer so bleiben wird das wohl trotzdem nicht, aber ich werde es wieder tun, denn es hat mir geholfen, mich endlich wieder auf die angemessene Bedeutung der Dinge zu besinnen.

Von meinem iPhone gesendet.

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