Kampf gegen Müll Plastiktüten - die tödliche Gefahr

Mehr als 400 Plastiktüten benutzt mancher Europäer pro Jahr. Die Tragebeutel vermüllen die Umwelt, unzählige Vögel und Meeressäuger sterben an dem Plastikabfall. Die EU geht gegen die Tütenplage vor.

Das Material ist langlebig - Experten gehen von bis zu 450 Jahren aus - und eine Gefahr für die Umwelt. Was viele Menschen Tag für Tag sorglos aus dem Supermarkt nach Hause tragen, bringt schon lange Umweltschützer in Rage: die Plastiktüte.

Es fängt bei herumflatternden Tüten in unseren Städten an, geht über achtlos weggeworfene "Gassibeutel" bis hin zu lebensgefährlichen Müllteppichen auf dem Meer. Hunderttausende Vögel und Meeressäuger kostet der Müll jährlich das Leben. Tiere verheddern sich im Plastikmüll oder fressen Kunststoff. Eine Folge sind schwere oder tödliche Verletzungen. Meeresschildkröten beispielsweise verwechseln Tüten mit Quallen, von denen sie sich gern ernähren - und ersticken qualvoll.

Und wenn sich Plastikmüll zersetzt, entstehen kleinste Teilchen, die von Fischen oder anderen Meerestieren aufgenommen werden. So gelangt das Plastik schließlich wieder zurück in die menschliche Nahrungskette, warnen Fachleute.

Jeder Europäer nutzt jährlich 200 Tüten

Rund zehn Millionen Tonnen Müll gelangen nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) pro Jahr in die Weltmeere, drei Viertel davon ist demnach Plastik. Jeder Einwohner der Europäischen Union nutzt im Schnitt 198 Plastiktüten pro Jahr.

Zu denen, die am wenigsten zu den Tüten greifen, gehören die Iren: Bei ihnen sind es durchschnittlich 20 Stück, darunter 18 Einwegtüten. In Dänemark und Finnland nutzen die Menschen 79 beziehungsweise 77 Tüten - darunter sind jeweils nur vier Einwegtaschen. In Bulgarien sind es 421 Tüten, mehr als die Hälfte davon wird nur einmal verwendet. In Ländern wie Portugal, Polen, Litauen und Ungarn wird der Pro-Kopf-Verbrauch an Plastiktüten sogar auf über 500 von der EU-Kommission geschätzt.

In Deutschland sind von 71 Tüten 64 Einwegtaschen. Allerdings gibt es hierzulande ein gut funktionierendes Abfall- und Recyclingsystem, so dass die Umweltbelastungen durch die Plastiktüten verringert werden, heißt es bei der Kommission.

Brüssel legt heute Plan gegen Plastikmüll vor

Brüssel will jetzt die enorme Müllflut mit Steuern, Abgaben oder nationalen Verboten bekämpfen. EU-Umweltkommissar Janez Potocnik stellt heute entsprechende Vorschläge vor. Demnach dürften die EU-Staaten die Tüten künftig sogar verbieten, geht aus einem Entwurf hervor. Noch lässt das EU-Recht solche Verbote nicht zu.

Zudem werden die 28 EU-Mitgliedsstaaten zu Steuern und Abgaben ermuntert. Die Iren verbrauchen nicht etwa so wenig Tüten, weil sie von Natur aus umweltbewusster sind als andere Europäer - sondern, weil es auf der Insel eine 22-Cent-Abgabe auf die Tüten gibt.

Für Deutschland pocht das Umweltbundesamt (UBA) auf eine Bezahlpflicht für alle Plastiktüten. UBA-Präsident Jochen Flasbarth unterstützt die Vorschläge der EU-Kommission. "Für Küstenländer, etwa im Mittelmeerraum, können Verbote sinnvoll sein, in anderen die Einführung von Gebühren oder Abgaben", sagte Flasbarth. Deutschland habe bereits mit dem generellen Ende der Deponierung von unbehandeltem Hausmüll und der eingespielten Sammlung von Verpackungsmaterialien viel erreicht, sagte er.

Eine Bezahlpflicht für alle Plastiktüten im Einzelhandel könne gleichwohl einen Beitrag zur weiteren Reduktion des Plastikmülls leisten, meinte er. Dazu müsse der Handel die schon bestehende Bezahlpflicht für große Plastiktüten an den Kassen des Lebensmitteleinzelhandels ausweiten, etwa auf Kleidungs-, Schuh-, und Elektrogeschäfte.

Einfach verbieten ist derzeit gegen EU-Recht

Dass die EU-Staaten Tüten nicht untersagen dürfen, legt die "Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle" fest. Den entsprechenden Artikel 18 will Potocnik nun kassieren. Zudem werden Sondersteuern und Abgaben ins Spiel gebracht. Allerdings braucht der Umweltkommissar für die geplanten Änderungen noch die Zustimmung der 28 EU-Staaten und des Europaparlaments.

In den europäischen Meeren tauchten hauptsächlich Müllreste aus Kunststoff auf, betonte auch Flasbarth. Darunter seien viele Fetzen von Einkaufstüten. "Unveröffentlichte Daten zu Abfällen an deutschen Stränden der Ostsee deuten darauf hin, dass sich die kostenlosen Tüten häufiger finden lassen als die kostenpflichtigen Tüten."

Das Problem sind aber nicht nur die Tüten

Um eine deutliche Reduktion von Plastikmüll in den Meeren zu erreichen, reiche ein geringer Verbrauch von Plastiktüten allerdings nicht aus. "Im globalen Durchschnitt bestehen drei Viertel des Meeresmülls aus Kunststoffen. Hierfür brauchen wir viele regional unterschiedliche Lösungen, um weitere Einträge aus den verschiedenen land- und seeseitigen Quellen zu verhindern." Für das Mittelmeer gäbe es bereits einen Aktionsplan, für die Nordsee folge dieser 2014, für die Ostsee 2015, so der Präsident des Umweltbundesamtes.

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anb/DPA

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