Die Frage, was Satire darf und was nicht, wird dieser Tage heiß diskutiert. Etwa im Fall von Sebastian Hotz, der unter dem Pseudonym "El Hotzo" brillante Zeilen im Netz absetzt und auch als Gag-Schreiber für Jan Böhmermann tätig war. Sein Engagement für die RBB-Hörfunkwelle Fritz wurde nun aufgekündigt, nachdem der 28-Jährige launig überspitzt bedauert hatte, dass der Schuss des Trump-Attentäters Gemeinsamkeiten mit einem abgefahrenen Bus habe: "leider knapp verpasst".
Die Verfassung ist keine Knigge-Trainerin
Darf man das, geht das, soll so was erlaubt sein? Das Grundgesetz ist diesbezüglich recht klar und deutlich, die Freiheitsrechte von Meinung, Kunst und Satire reichen einander die Hand, um gemeinsam in die Republik zu rufen: Ja klaaaaahaaaar! Die Verfassung ist keine Knigge-Trainerin, kein Moraltheologe, sie erlaubt ausdrücklich Frechheiten und äußerste Geschmacklosigkeiten.
Jan Böhmermann ist seit Langem einer der Profiteure dieses wundervollen Grundrechts. Er hat es in geradezu experimenteller und aktionistischer Weise ausgekostet, als er den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in einem Knittelvers unter anderem zum "Ziegenficker" erklärte. Dass er damals rassistische Motive etablierte, war Böhmi im März 2016 egal, schließlich stimmte ja die Metaebene.
Damals wie heute scheinen die menschenverachtenden Aspekte mancher Satire-Beiträge vernachlässigenswert, sofern sie von der und gegen die richtige Seite abgefeuert werden. Wäre da nicht eine merkwürdige Wehleidigkeit der handelnden Personen, wenn es um sie selbst geht.
Rechtfertigt die Meta-Ebene wirklich alles?
Es geht also noch einmal um die seltsame Honig-Affäre, die ein bisschen anmutet, als wäre sie selbst eine Posse, eine satirische Inszenierung. Jan Böhmermann hatte im Juni 2024 erneut gegen einen sächsischen Imker und Bienenzüchter prozessiert, um diesem das Recht auf Satire absprechen zu lassen.
Man fragt sich in diesem Moment, wer wohl dieser "andere" Böhmermann sein mag, der so gar nicht zu jenem Mensch gewordenen Zwinkersmiley passen will, das man aus dem "ZDF Magazin Royale" kennt. Dabei ist sein Showkonzept stets eine Gratwanderung: So amüsant und politisch versiert diese Sendung auch ist, hat Böhmermann stets schnell den moralischen Zeigefinger parat und legt diesen in manche Wunde unserer Gesellschaft. Gut so! Doch das "ZDF Magazin Royale" ist keine normale Satire-Show, dahinter steht bekanntermaßen eine extrem professionelle Redaktion, von einer mehrfach ausgezeichneten Chefin vom Dienst angeleitet, die sich zuvor bereits als versierte Journalistin einen Namen gemacht hatte. Umso weniger kapiert man, dass diese Redaktion es mit dem Presserecht oft nicht so genau nimmt – weil schließlich alles bloß Satire sei. Eigentlich schade, denn der freiwillige Kodex der Presse ist kein blödes Korsett, sondern eine Ehre.
Honey, du hast dich verrannt!
Doch zurück zum Fall: Böhmermann hat Imker Rico Heinzig öffentlich im Fernsehen angeprangert und ihm "Bee-Washing" vorgeworfen. Heinzig würde wie andere Imkereien Unternehmen zu einem umweltfreundlichen Image verhelfen, indem er in ihrem Namen Bienenstöcke pflege, ohne dass diese Nutztierhaltung real der Artenvielfalt zuträglich wäre. Pointe? Keine.
Mit den Vorwürfen konfrontiert, was presserechtlich notwendig gewesen wäre, hat man den Mann aus Meißen nie. Auch wenn sich das "Magazin Royale" nicht als das begreift, was es in diesem Moment recht eindeutig gewesen ist nämlich ein journalistisches Format, würde es der Anstand gebieten. Heinzig hatte wohl schon vermutet, dass er mit einer Beschwerde beim Presserat nicht weitergekommen wäre. Also hat sich der einfallsreiche Honigmann anderweitig beholfen, indem er Böhmermann mit dessen eigener Munition antwortete: einem Gag. Er druckte Böhmis Konterfei, erkennbar satirisch, auf seine Honiggläseretiketten. "Führender Bienen- und Käferexperte empfiehlt: Beewashing-Honig" steht da. Um ehrlich zu sein: sehr viel lustiger als das meiste, was man in Böhmermanns Show zu diesem Thema offeriert bekam.
Darf der freche Imker das? Der Sachse berief sich gleichfalls auf Satire, bloß Böhmi war plötzlich der Humor abhandengekommen und klagte auf Unterlassung. Schade eigentlich.
Böhmermann ohne Humor
Im Februar war der Fernsehstar zum ersten Mal vor Gericht unterlegen, nun kassiert er also die nächste Pleite. Und man muss sich ernsthaft fragen, wie miserabel beraten der Showstar ist, so harsch gegen einen Kleinstunternehmer vorzugehen. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier sprach vielen aus der Seele, als er auf X postete: "Ich finde es so erbärmlich, wie @JanBoehm anderen Satire verbieten will."
Dass Imker Heinzig mit seinem zweiten Honiggläser-Etikett die abgedroschene Phrase von der "Cancel Culture" bemüht und Böhmermann damit ebenso langweilig pariert, steht auf einem anderen Blatt. Die Freiheit gilt eben auch für schlechte Satire. Des Imkers Spendenaufruf im Internet brachte ihm statt der benötigten 20.000 Euro laut der "Frankfurter Allgemeinen" jedenfalls bereits 73.000 Euro ein. Man darf dies durchaus als ein kleines Plebiszit betrachten – gegen das fragwürdige Gebaren eines Spitzenverdieners des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der einen kleinen Imker mittels kostenintensiven Berufungsverfahrens in die Knie zu zwingen versuchte.
Böhmermann steht in einer unseligen Tradition. Wir erinnern uns an die menschenverachtenden Späße, die Stefan Raab in den Nullerjahren mit einer damals 16-jährigen Frau getrieben hat, deren einziges Vergehen war, einen Nachnamen zu haben, der sich für anzügliche und frauenfeindliche Witze eignete. Zu Recht wurden jener Lisa Loch 2004 durch das Oberlandesgericht Hamm 70.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.
Auch Oliver Pocher ist dafür bekannt, nicht viel von Persönlichkeitsrechten zu halten, und musste dafür bereits tief in die Tasche greifen. Etwa empfahl er einer Zuschauerin von "Wetten, dass..?" eine Schönheitsoperation und musste 2005 deshalb 25.000 Euro zahlen. Im Mai gab er eine überforderte Zuschauerin seiner SWR-Show gnadenlos der Lächerlichkeit preis und erntete dafür allgemeine Empörung. Es ist nur schwer vorstellbar, dass sich Jan Böhmermann in dieser Reihe sehen möchte.
Deutschland ist kein Ständestaat, vor dem Humor sind alle gleich
Das Gericht hat heute eine wegweisende Entscheidung getroffen: Es ist kein Vorrecht von Fernsehstars, sich über Menschen lustig zu machen, es muss auch umgekehrt erlaubt sein. Comedy und Satire sind kein Privileg und kein Standesrecht, sondern stehen allen zu.
"Es gibt nur lustig und nicht lustig", sagt Jan Böhmermann 2023 im stern-Interview, und: "Humor kann man für kein Geld der Welt kaufen." Wie wahr. Den Schaden trägt heute der Fernsehstar davon, selbst verschuldet. Vielleicht begreift er aber mit etwas Abstand, dass am Ende auch er Sieger ist. Heute hat kein Promi gewonnen, kein Imker, kein Satiriker – sondern das Recht auf Satire selbst.