Der Journalist Ernst Cramer ist tot. Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer Stiftung sei kurz vor seinem 97. Geburtstag am Dienstag in einem Berliner Krankenhaus an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben, wie das Medienhaus ("Bild", "Die Welt") mitteilte.
Der am 28. Januar 1913 in Augsburg geborene Cramer war Überlebender des Holocaust und nach dem Krieg ein enger Vertrauter des Verlegers Axel Springer (1912-1985). Unter anderem war er Herausgeber der "Welt" und der "Welt am Sonntag". Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner nannte Cramers Tod "einen großen Verlust". Nach Axel Springer sei er "die prägendste Figur des Verlags" gewesen.
Bewegtes, aber auch tragisches Leben
Noch bis kurz vor seinem Tod erschien Cramer jeden Tag pünktlich um zehn Uhr im 18. Stock im Verlagshaus an der Axel-Springer-Straße in Berlin. Dabei sei er nicht als "Lordsiegelbewahrer des Wahren, Schönen, Guten und Alten" aufgetreten, wie Döpfner noch zu dessen 95. Geburtstag betonte. Rat und Meinung Cramers, sein "legendäres Gedächtnis", seien für die Verlegerin Friede Springer immer wichtig gewesen.
Der Spross einer Kaufmannsfamilie blickte auf einen bewegten - aber auch tragischen - Lebensweg zurück. Cramer war zeitweise im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert, seine Eltern und sein Bruder Erwin wurden von den Nazis ermordet. Als einem der letzten Juden gelang ihm 1939 die Emigration aus Deutschland. 1945 kehrte er in der Uniform der US-Army in seine Vaterstadt Augsburg zurück.
Springer holte ihn 1958 zur "Welt"
Die steile publizistische Karriere im Nachkriegsdeutschland war ihm nicht in die Wiege gelegt, auch wenn es sogar eine "familiäre Literaturprägung" gab. Cramers Vater hatte mit Bertolt Brecht einen Literaturzirkel gegründet, der bis 1933 Veranstaltungen mit namhaften deutschen und ausländischen Autoren organisierte.
Nach dem Krieg arbeitete Cramer zunächst als Hauptmann der US-Armee für die Militärverwaltung in Deutschland, als Redakteur der "Neuen Zeitung" in München und für eine Nachrichtenagentur. Der Verleger Axel Springer wurde auf ihn aufmerksam und holte Cramer 1958 als stellvertretenden Chefredakteur der überregionalen Tageszeitung "Die Welt" in sein Verlagshaus.
"Ich suche Leute mit eigener Meinung, die auch zu ihr stehen", erinnerte sich Cramer später an Springers Angebot. Von da an ging es für ihn steil nach oben, 1969 wurde er Leiter des Verlegerbüros, Herausgeber und schließlich Aufsichtsratsmitglied. 1985 war Cramer neben dem Aufsichtsratsvorsitzenden Bernhard Servatius und Witwe Friede Springer Testamentsvollstrecker Axel Springers. Seit 1981 leitete er die Axel Springer Stiftung.
Cramer wurde für sein Eintreten für Menschlichkeit und Toleranz mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz, der Leo-Baeck-Medaille und dem Heinz-Galinski-Preis.