Stuttgart 21 Schlichtung beginnt am Freitag

Wochenlang wurde demonstriert. Jetzt wird miteinander geredet. Gegner und Befürworter von Stuttgart 21 haben sich auf den Beginn des Schlichtungsverfahrens verständigt. Der Ausgang der Gespräche ist angesichts der tiefen Gräben aber völlig offen.

Der Weg für eine Schlichtung im Konflikt um Stuttgart 21 ist frei. Das erklärte der Grünen-Verkehrsexperte Werner Wölfle am Donnerstagabend nach einem Gespräch mit Vermittler Heiner Geißler. Die Projektgegner träfen sich an diesem Freitag zu einem ersten Dialog mit Vertretern von Bahn und Landesregierung. Die Gespräche sollen um 10.30 Uhr im Stuttgarter Rathaus beginnen. Es sollen sieben Vertreter von jeder Seite am Tisch Platz nehmen.

Die Gegner des Projekts hatten zuvor eine ihrer Vorbedingungen zurückgenommen. Sie fänden sich damit ab, dass die Arbeiten am Gleisvorfeld am Stuttgarter Hauptbahnhof weitergingen, sagte Wölfle. Bei dem Treffen am Freitag wolle man die Bahn und die Landesregierung aber noch davon überzeugen, dass der Bau einer Betonwanne für das Grundwassermanagement während des Treffens ausgesetzt werde. "Bislang bestehen die noch darauf", sagte Wölfle.

Allerdings: Die Gegner von Stuttgart 21 wollen keine Schlichtung hinter verschlossenen Türen. "Es muss ein öffentlicher Prozess sein", sagte Wölfle. Er sprach von einer Übertragung der Schlichtung über Großleinwände, Fernsehen oder Internet: "Es nutzt nichts, wenn nur wir die Fakten erhalten." Auch der Stadtrat der SÖS (Stuttgart Ökologisch Sozial), Hannes Rockenbauch, betonte: "Das dürfen keine Hinterzimmergespräche werden." Die Fragen nach Kosten und Nutzen, ökologischen und städtebaulichen Aspekten müssten von geladenen Experten in öffentlichen Foren diskutiert werden. Daran hätten tausende Demonstranten ein berechtigtes Interesse.

Die "Sach-und Fachschlichtung" soll im Internet übertragen werden. "Wir eröffnen damit einen völlig neuen Weg der Bürgerbeteiligung", sagte Geißler. Dies sei eine "Innovation unter Demokraten", die zu mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit führen solle.

Befürworter demonstrieren im Schlosspark

Rockenbauch bekräftigte die Forderung, während der Schlichtung dürften keine weiteren Fakten geschaffen werden. Das bedeute: ein Stopp der Grundwasserregulierung, kein Start für den Bau des unterirdischen Technikgebäudes an der Nordseite des Bahnhofes, keine weitere Entkernung des Südflügels und keine weiteren Gleisvorfeldarbeiten für Stuttgart 21. Bislang gehen die Projektträger auf diese Forderungen nicht ein.

Auch die Befürworter zeigen derweil Flagge in Stuttgart. Mit einem Lauf durch den Schlosspark und einer anschließenden Kundgebung am Marktplatz haben am Donnerstag mehrere tausend Menschen für das umstrittene Bahnprojekt "Stuttgart 21" demonstriert. Polizei und Organisatoren berichteten übereinstimmend von zirka 5000 Teilnehmern. Die Demonstration verlief ohne Zwischenfälle. Unter dem Motto "Zeit zu reden" plädierten mehrere Redner vor dem Stuttgarter Rathaus unter anderem für einen Dialog mit den Gegnern des Projekts. Darunter befanden sich auch der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Rainer Wieland (CDU), der Grünen-Politiker Stefan Faiß und der Präsident des Württembergischen Leichtathletikverbands, Jürgen Scholz.

Organisator Steffen Kauderer kündigte für den 23. Oktober eine Großkundgebung der Projektbefürworter auf dem Stuttgarter Schlossplatz an. Eine Gruppe der Befürworter zog im Anschluss an die Demonstration zum Bauzaun am Nordflügel des Hauptbahnhofs. "Uns geht es darum, auch am Ort des Geschehens Präsenz zu zeigen", sagte der Initiator der Aktion, Matthias Kauffmann zuvor. "Man muss sich überlegen, ob es notwendig ist, dass wirklich so eine große Zahl von Bäumen gefällt wird oder der Südflügel abgerissen wird", sagte er. Ihm gehe es um den Dialog mit der anderen Seite.

SPD beharrt auf Volksentscheid

Die Südwest-SPD dringt derweil weiter auf einen Volksentscheid zu Stuttgart 21. Sie macht ihre Regierungsbeteiligung nach der Landtagswahl im März davon abhängig, ob der Koalitionspartner sich diesem Kurs anschließt.

Wegen des Streits um das Milliarden-Bahnprojekt rückt eine mögliche große Koalition von CDU und SPD nach der Wahl am 27. März in weite Ferne. Denn die Partei von Ministerpräsident Stefan Mappus lehnt eine Volksbefragung strikt ab. SPD-Landeschef Nils Schmid sagte dagegen: "Wer mit uns koalieren will, der muss sich zu diesem Weg der Vernunft bekennen." Schmid hält es für möglich, dass die CDU noch einlenkt.

Er warf den Grünen - dem Wunschkoalitionspartner - vor, sich um ein klares Ja zu einem Volksentscheid herumzudrücken: "Die Grünen müssen Farbe bekennen, ob es ihnen jetzt um ein wahltaktisches Pingpong-Spiel zwischen Grün und Schwarz geht oder ob sie der Urteilskraft der Bürgerinnen und Bürger vertrauen."

Rüge für die Bahn vom Verwaltungsgericht

Unterdessen rügte das Verwaltungsgericht Stuttgart die Deutsche Bahn für ihr Verhalten in einem Verfahren gegen die Rodung von 25 Bäumen im Stuttgarter Schlossgarten für Stuttgart 21. Demnach sind die umstrittenen Baumfällarbeiten am 1. Oktober nur erfolgt, weil die Bahn dem Gericht eine wichtige Unterlage vorenthalten hatte. Sonst hätte das Gericht einem Eilantrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen die Rodung stattgegeben, teilte das Gericht mit. Bei dem fehlenden Papier handelt es sich um ein Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes, wonach die Rodung den im Schlossgarten lebenden seltenen Juchtenkäfer bedroht.

DPA
swd/DPA/DAPD

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