Das Landgericht München II hat in einem bizarren Prozess um freiwillige Kastrationen in der Sadomaso-Szene den angeklagten Elektriker zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Horst B. sei verschiedener Körperverletzungsdelikte schuldig, so der Vorsitzende Richter am Dienstag in seiner Urteilsbegründung. Den ursprünglichen Vorwurf wegen Mordes durch Unterlassen im Zusammenhang mit einem nach der laienhaften Kastration gestorbenen Mann ließ das Gericht fallen.
Geldnot: Angeklagter verdient 4150 Euro mit Aktivitäten
B. nahm das Urteil ohne erkennbare Regung auf. Der 67-Jährige hatte die Kastrationen schon zu Prozessbeginn gestanden. Er begründete sein Handeln in seinem Geständnis mit Geldnot – nach dem Tod seiner krebskranken dritten Frau, die er zuvor gepflegt hatte, saß er auf Schulden. Mit Kastrationen und Verstümmelungen im Genitalbereich verdiente er zwischen 200 und 1500 Euro, insgesamt 4150 Euro. Dieses Geld zog das Gericht mit dem Urteil ein.
Über einen Arbeitskollegen kam B. der Beweisaufnahme zufolge auf die Möglichkeit, sich mit sadistischen und masochistischen Aktivitäten Geld zu verdienen. B. bot laut Urteil ab 2018 auch Kastrationen an, obwohl er nur ein medizinischer Laie war.
Freiwillige Zustimmung als juristisch hinfällig
Ein Ermittler berichtete, dass die acht Fälle, in denen es tatsächlich zu Eingriffen kam, nur ein kleiner Teil des potenziellen Kundenkreis gewesen seien. Deutlich mehr Männer hätten sich für die teilweisen oder vollständigen Kastrationen interessiert. Bei den Ermittlungen seien Abgründe zutage getreten.
Der Vorsitzende Richter sagte, die freiwillige Zustimmung der Männer zu den Eingriffen sei juristisch hinfällig. B. habe den "Kunden" vorgetäuscht, ein erfahrener Rettungsassistent zu sein. Die Zeugenaussagen hätten ergeben, dass die Männer auch deshalb zugestimmt hätten. Wegen der Täuschung sei die Einwilligung unwirksam.
Der Angeklagte habe sich "maßlos selbst überschätzt in seinen medizinischen Fähigkeiten", sagte der Richter. Dies habe sich auch darin gezeigt, dass die Hälfte der Eingriffe zu medizinischen Komplikationen geführt habe.
Unterschiedliche Motive für Kastration
Die Männer, die sich unter anderem von B. auf dessen Küchentisch operieren ließen, handelten aus unterschiedlichen Motiven. Teils verspürten sie einen inneren Drang nach einer Kastration. In einem Fall wollte sich ein Mann als einen Schritt zur Geschlechtsumwandlung die Hoden entfernen lassen. In einem anderen Fall hielt sich ein Mann für pornosüchtig und versprach sich durch eine Verstümmelung im Genitalbereich Abhilfe – der verheiratete Mann ließ mehrere Eingriffe über sich ergehen, seine Frau wusste davon.
In dem Verfahren überführte der Vorsitzende Richter den Angeklagten wiederholt der Lüge – das Tatgeschehen aber steht für den Richter weitgehend zweifelsfrei fest. Bott sagte zur Begründung des Freispruchs vom Mordvorwurf, es lasse sich im Fall des Verstorben nicht einmal der genaue Todeszeitpunkt feststellen. Auch mit jahrelanger forensischer Expertise hätten sich die Todesumstände des Manns nicht aufklären lassen. Insofern sei dieser Fall nicht hinreichend als Mord zu beweisen gewesen.
Serienmörder, Massenvergewaltigung, Rockermord: Diese Prozesse sorgten 2019 für Aufsehen

Für Schlagzeilen sorgte im Jahr 2019 ein Campingplatz in Lügde. Über Jahre hinweg sollen hier etliche Kinder missbraucht worden sein. Die Haupttäter Andreas V. (mit Aktenordner vorm Gesicht) und Mario S. wurden Anfang September zu hohen Haftstrafen und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Das Landgericht Detmold verhängte eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren gegen den 56-jährigen Andreas V., der 34-jährige Mario S. erhielt 12 Jahre. Das Gericht ordnete außerdem die anschließende Sicherungsverwahrung für die beiden Deutschen an - zu groß sei das Risiko, dass sie sich nach der verbüßten Haft wieder an Kindern vergehen würden, begründete das Gericht. Auf dem Campingplatz im lippischen Lügde hatten die beiden jahrelang und hundertfach insgesamt 32 Kinder sexuell missbraucht. Andreas V. wurden insgesamt rund 290 Missbrauchstaten zur Last gelegt. Mario S. hatte sich in rund 160 Fällen an Mädchen und Jungen vergangen. Unter den Taten waren insgesamt rund 250 Vergewaltigungen. "Anal-, Oral- und Vaginalverkehr, um es hier mal beim Namen zu nennen", führte die Vorsitzende Richterin Anke Grudda in ihrer Begründung aus. Die jüngsten Opfer waren zur Tatzeit erst vier Jahre alt. Neben der Vielzahl der Fälle, der Dauer des Missbrauchs und seiner Gewalttätigkeit wertete das Gericht die "infame und niederträchtige Vorgehensweise" der Angeklagten strafverschärfend: Beide Männer seien in der Verhandlung als "Kindermagnete" beschrieben worden, schilderte Grudda. Mit Geschenken und Unternehmungen um und im "Kinderparadies" Campingplatz hätten sie sich das Vertrauen der Kinder erschlichen und sich mit Erpressung, Gewaltandrohungen und emotionalem Druck das Schweigen ihrer Opfer gesichert. Zu den Opfern des Dauercampers zählte auch ein Mädchen, das als Pflegetochter bei ihm einzog und als Lockvogel diente, um an weitere Opfer zu kommen. Worte wie "abscheulich, monströs, widerwärtig" reichten nicht aus, das Geschehen zu beschreiben, fasste Grudda zusammen. "Sie haben 32 Kinder und Jugendliche zu Objekten ihrer sexuellen Begierden degradiert und 32 Kindheiten zerstört", sagte Grudda. Immer wieder wandte sich die Richterin direkt an die beiden Angeklagten: "Es ging Ihnen nie um die Kinder, es ging Ihnen immer um sich selbst." Die Kammer habe aufrichtige Reue bei beiden nicht erkennen können.
Mit dem Strafmaß blieb das Gericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die auf elf Jahre Haft plädiert hatte. Die Verteidigung forderte für den geständigen Angeklagten maximal sieben Jahre Haft. Nach Ende des Prozesses kündigten die Verteidiger auf Anfrage an, das Urteil akzeptieren zu wollen - es sei ein faires Strafmaß.