Prozess um Schießerei "Mafia-Toni", die Machete und der überraschende Freispruch für Ali Abou-Chaker

Am Eingang vom Landgericht Berlin hängen Metallschilder
Vor dem Landgericht Berlin fand der Prozess gegen Ali Abou Chaker statt
© Sonja Wurtscheid / DPA
Ali Abou Chaker soll einen Mann wegen Pokerschulden mit mehreren Waffen bedroht haben. Doch beim Prozess vor dem Landgericht Berlin kam die Richterin zu einem anderen Urteil.

Das Landgericht Berlin hat Ali Abou-Chaker, 49, vom Vorwurf der versuchten schweren räuberischen Erpressung freigesprochen. Die Staatsanwaltshaft hatte den älteren Bruder von Arafat Abou-Chaker angeklagt. Ihr Vorwurf: Er habe gemeinsam zwei weiteren Männern durch Drohungen und "Vorhalten diverser Waffen" versucht, von einem Mann in Berlin-Kreuzberg Spielschulden einzutreiben. 

"Das Gericht konnte keinen strafbaren Sachverhalt feststellen", sagte die Vorsitzende Richterin Kristin Klimke in ihrer Urteilsbegründung am Montag. Es fehle die konkrete Drohung zum Nachweis einer versuchten räuberischen Erpressung. Der Angeklagte sei daher freizusprechen, ihm stehe eine Haftentschädigung zu. 

Hintergrund des Prozesses ist eine spektakuläre Schießerei an Weihnachten 2020 in einem Gewerbehof in Berlin-Kreuzberg. In jener Winternacht gab der italienische Staatsbürger Oliviero "Toni" V. 13 Schüsse aus seiner Pistole ab – unterer anderem auf Ali Abou-Chaker, aus kurzer Distanz und von hinten. Dieser wurde in den Rücken getroffen und, wie zwei weitere Größen aus dem Clanmilieu, schwer verletzt. Überwachungskameras dokumentierten das Geschehen.

"Mafia Toni" gegen Ali Abou Chaker

Der damals 30-jährige Schütze, szenebekannt als "Mafia Toni", wurde  dafür Mitte 2021 wegen versuchten Totschlags zu vier Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Ali Abou-Chaker war damals Nebenkläger. In einem zweiten Prozess zur blutigen Kreuzberger Nacht saß er nun selbst auf der Anklagebank.

"Mafia Toni" hatte in seinem Gerichtsverfahren detailliert ausgesagt, warum er seinerzeit geschossen hatte: aus "Notwehr", wie er behauptete. Abou-Chaker und dessen Kumpane hätten ihn massiv bedroht und aufgefordert, 4000 Euro Pokerschulden zu begleichen. Bewaffnet mit einer 50 Zentimeter langen Machete, einer Glock-Pistole und Pfefferspray hätten sie ihn beschimpft, geschlagen, mit Folter und dem Tod gedroht. Mit Sätzen wie: "Wir nehmen dich mit, bist du zahlst", "du kommst in den Kofferraum", "wir werden dir die Hände abschneiden". 

Abou Chaker bestreitet im Prozess Vorwürfe

Nebenkläger Ali Abou Chaker wurde im Verfahren gegen "Mafia-Toni" nicht als Zeuge gehört. Nun aber sagte er als Beklagter vor Gericht umfassend aus. "Ich habe Toni nicht bedroht, nicht erpresst, schon gar nicht mit der Machete." Die Waffen hätten er und seine Kumpels aus Selbstschutz mitgeführt. Im Pokerkeller sei es dann zu einer Einigung mit dem Schuldner gekommen, man habe sich die Hand gegeben. 

Das Gericht folgte nun weitgehend der Darstellung Ali Abou-Chakers und wertete dessen Machete als "Selbstschutz". Auch bei dem durch Kameras dokumentierten folgenden Geschehen auf dem Gewerbehof spreche "überhaupt nichts für eine Bedrohung".  Die Angeklagten seien nicht auf den Schützen zugelaufen,  "die Machete wurde nicht als Drohung eingesetzt". Und mit seiner Aussage habe der Schütze V., also "Mafia-Toni", vermeiden wollen, als kaltblütiger Mörder zu erscheinen wollen. So jedenfalls sagte es die Richterin. "Aber er ist kein Zeuge, auf den man was geben kann."

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Staatsanwältin Julia Köpcke erwägt, Rechtsmittel einzulegen. Der freigesprochene Ali Abou-Chaker muss ohnehin erstmal in Untersuchungshaft bleiben: Seit einer Schlägerei mit mehreren Personen an einer Neuköllner Sportsbar im März 2023 ermittelt die Polizei gegen ihn – unter anderem wegen Bedrohung mit Waffen.

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