Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Freispruch für Abdelghani Mzoudi, einen angeblichen Helfer der Hamburger Attentäter des 11. September 2001, bestätigt. Das Karlsruher Gericht verwarf am Donnerstag die Revision der Bundesanwaltschaft. Damit ist erstmals ein Urteil wegen der Anschläge in den USA rechtskräftig. Die Ankläger hatten eine Neuauflage des Prozesses gegen den unter anderem wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 3000 Fällen angeklagten 32-jährigen Mzoudi durchsetzen wollen. Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) hatte den Marokkaner im Februar 2004 freigesprochen.
Die Bundesanwaltschaft warf Mzoudi vor, seit dem Frühsommer 1999 zur Hamburger Terrorzelle um den Todespiloten Mohammed Atta gehört zu haben und die Gruppe bei der Vorbereitung der Anschläge in den USA unterstützt zu haben. Unter anderem soll er finanzielle Angelegenheiten der Attentäter geregelt und ihnen eine Wohnung besorgt haben. Laut OLG wurde die Tat jedoch nicht im Frühsommer 1999 in Hamburg, sondern erst Ende desselben Jahres in Afghanistan geplant. Dass Mzoudi danach in die Pläne eingeweiht worden sei, hielt das Gericht nicht für erwiesen.
"Sorgfältige Abwägung des Für und Wider"
Der Senatsvorsitzende Klaus Tolksdorf sagte zur Begründung, der BGH habe sich nach sorgfältiger Abwägung des Für und Wider nicht dazu durchringen können, den Argumenten der Bundesanwaltschaft zu folgen. Er machte deutlich, dass die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts im Revisionsverfahren beim BGH nur eingeschränkt überprüfbar sei. Nach den Maßstäben des Gerichts weise die Würdigung der Beweise durch das OLG keine Rechtsfehler auf.
Nach Ansicht von Bundesinnenminister Otto Schily muss der Freispruch akzeptiert werden. "Bei uns gelten rechtstaatliche Prinzipien. Es kann nur einer verurteilt werden, wenn der Schuldnachweis nach Auffassung des Gerichts erbracht worden ist", sagte Schily am Donnerstag in Berlin. Nach Ansicht des Hamburger Oberlandesgerichts "war das nicht der Fall". Der Bundesgerichtshof habe das Urteil überprüft und offenbar keine Verfahrensfehler entdecken können, so dass der Freispruch Bestand habe, betonte Schily. Das Ergebnis gehöre zum Rechtssystem. "Das mag man so oder so beurteilen." Er sei immer der Auffassung gewesen, die Bekämpfung des Terrorismus müsse im rechtstaatlichen Rahmen vollzogen werden. "Dass die strafrechtliche und polizeirechtliche Beurteilung eine andere ist, das bitte ich auch nicht ganz außer Betracht zu lassen." Er sei "nicht sozusagen die Aufsichtsinstanz eines unabhängigen Gerichts". Schily sagte: "Andere Konsequenzen, die sich aus dieser Situation ergeben, sehe ich nicht."
Der Marokkaner will nun freiwillig in seine Heimat ausreisen. Das teilten seine Anwälte mit. Nach Angaben seiner Anwältin Gül Pinar will Mzoudi noch seine Angelegenheiten in Deutschland regeln, ehe er ausreist. Die Hamburger Ausländerbehörde hatte mitgeteilt, dass Mzoudi zwei Wochen Zeit für eine freiwillige Ausreise habe. Der Hamburger Innensenator Udo Nagel hatte immer wieder betont, er wolle Mzoudi so schnell wie rechtlich möglich außer Landes haben.
Motassadeq-Anwälte schöpfen Hoffnung
Jetzt sehen auch die Verteidiger des ebenfalls als Terrorhelfer angeklagten Mounir El Motassadeq gute Chancen für ihren Mandanten. "Die Argumente lassen sich zwanglos auf den Fall Motassadeq übertragen", sagte Motassadeq-Verteidiger Ladislav Anisic in Hamburg. Mzoudi sei genauso nah oder fern zu den Hamburger Todespiloten des 11. September 2001 um Mohammed Atta gewesen wie Motassadeq.
"Es gibt keinen Automatismus, dass das auch einen Freispruch für Motassadeq bedeutet. Aber eine Verurteilung ohne Verstoß gegen die heutige Rechtsprechung des BGH ist kaum vorstellbar", sagte Anisics Kollege Udo Jacob. Es gebe keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Verfahren. Das Urteil im Motassadeq-Prozess will das Hamburger Oberlandesgericht nach dann rund einjähriger Verhandlungsdauer am 19. August verkünden. "Das Gericht bleibt frei in seiner Entscheidung, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man bei den nahezu identischen Sachverhalten zu einem anderen Ergebnis kommt", meinte Jacob.
Der 31-jährige Motassadeq muss sich vor Gericht wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 3000 Fällen sowie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten. In einem ersten Verfahren war er zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil gegen den Marokkaner jedoch im März 2004 aufgehoben, auch weil die USA möglicherweise entlastende Aussagen von Terrorverdächtigen zurückgehalten hatten und diese nicht im Prozess berücksichtigt worden waren.