"Meine Welt hat aufgehört zu atmen. Ich habe ihn so geliebt."
Es sind die Worte einer 14-jährigen Teenagerin, die ein Gericht in Winchester, einer 40.000-Einwohner-Stadt in England, vergangene Woche verlas. Es war ein Teil einer schriftlichen Zeugenaussage eines jungen Mädchens, das glaubte, die große Liebe gefunden zu haben. Mit Erschrecken stellte sie fest: Der Junge, den sie liebte, war in Wahrheit eine erwachsene Frau, die sie über Monate sexuell missbraucht hatte. Ihr Name: Gemma W.
Die 21-jährige Arbeitslose aus London hatte sich laut britischen Medien über Monate als Junge ausgegeben und gekleidet, um sich an Teenagerinnen wie ihrem 14-jährigen Opfer heranzumachen – und sie sexuell zu missbrauchen. W. wurde nun zu acht Jahren Haft verurteilt. Sie soll vier Mädchen zwischen 13 und 16 Jahren sexuell missbraucht haben. Die Polizei schätzt die Zahl der Opfer auf 20 bis 50 Mädchen. Ihre Opfer seien zum Teil so traumatisiert, dass sie bereits Suizidversuche unternommen hatten.
Doch: Wie schaffte es eine erwachsene Frau mehrfach, sich als Junge auszugeben, ohne dabei aufzufliegen?
W. stopfte sogar ihre Unterhose mit Socken aus
W. wusste offenbar, wie sie die Mädchen täuschen konnte. Die Londonerin nutzte laut "Daily Mail" ab Dezember 2017 gezielt soziale Netzwerke wie Facebook, Snapchat oder Instagram, um systematisch junge Mädchen kennenzulernen. Dort gab sie sich als 16-Jähriger namens Jake Watton aus. Dazu lud sie Bilder von sich hoch, auf denen sie tatsächlich wie ein Junge aussah.
Die BBC veröffentlichte mehrere Screenshots ihrer Fake-Accounts. In einem davon gab sie sich unter anderem als Torwart des englischen Erstliga-Klubs Tottenham Hotspur aus und schrieb zudem, dass sie nebenbei für das Modeunternehmen Hollister arbeite.
Mit ihren Accounts nahm sie Kontakt zu Teenagerinnen auf. Sie chattete zunächst mit ihnen und verabredete sich anschließend. Dafür reiste W. durchs ganze Land. Bei ihren Treffen trug sie weite Kleidung. Ihre Haare versteckte sie unter einem Basecap. Sogar ihre Unterhose stopfte sie mit Socken aus. Ihre Opfer schöpften keinen Verdacht. Ganz im Gegenteil, als eines der Mädchen W. auf ihre Brüste ansprach, sagte sie, sie sei früher übergewichtig gewesen.
"Ich habe nur versucht, sie aufzuheitern"
Das Missbrauch-System von W. flog über Monate nicht auf. Erst im April 2018 kamen die Behörden langsam dahinter. Ein Arzt hatte sich bei der Polizei in Hampshire gemeldet. Er berichtete laut CNN der Polizei, dass eine 14-jährige Patientin ihm erzählt habe, von ihrem Freund Jake Watton sexuell missbraucht worden zu sein.
Die Polizei nahm die Ermittlungen auf. Schnell fanden die Beamten heraus, dass hinter "Jake Watton" in Wirklichkeit Gemma W. steckte – und stießen dazu auf zwei weitere Opfer. Beide gaben an, von "Jake" sexuell missbraucht worden zu sein. Im Juli wurde W. dann verhaftet. Reue zeigte sie nicht. "Ich habe nur versucht, sie aufzuheitern", soll sie laut dem "Guardian" der Polizei gesagt haben.
Dennoch kam sie gegen die Zahlung einer Kaution frei. Und wurde im Oktober 2018 erneut überführt. Dieses Mal hatte sie sich einem 15-jährigen Mädchen angenähert, das später aussagte, ebenfalls missbraucht worden zu sein. Gemma W. bekam daraufhin strenge Auflagen, bevor sie sich im September 2019 vor Gericht verantworten musste.
In der vergangenen Woche fiel das Urteil. Die Richterin, Susan Evans, befand laut CNN: "Das Alter der Opfer machte es wahrscheinlicher, dass sie sich sexuell naiv verhalten. Deshalb konnte die Angeklagte so lange mit ihren Täuschungen davonkommen."
Hilfe bei suizidalen Gedanken
Haben Sie suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym und rund um die Uhr kostenlos erreichbar unter: (0800) 111 0 111 und (0800) 111 0 222. Auch ein Austausch per Chat oder E-Mail ist möglich.
Quellen: "Guardian" / BBC / CNN / "Daily Mail"