Mülheim an der Ruhr "Es war Gewalt im Spiel, massive Gewalt" – drei Teenager wegen Gruppenvergewaltigung vor Gericht

Tatort der Vergewaltigung in Mülheim
An diesem Gebüsch in Mülheim an der Ruhr sollen die drei Jugendlichen und zwei Kinder die junge Frau gemeinsam vergewaltigt haben
© Roland Weihrauch / DPA
Drei Jugendliche und zwei Kinder sollen im Juli zusammen eine 18-Jährige in Mülheim brutal vergewaltigt habe. Nun beginnt in Duisburg die Gerichtsverhandlung gegen drei der Verdächtigen – zwei entgehen dem Prozess.

Der Vorwurf klingt unfassbar: Drei Jugendliche im Alter von 14 Jahren sollen zusammen mit zwei zwölfjährigen Kindern im Juli eine junge Frau in Mülheim an der Ruhr vergewaltigt haben. Doch genau das wirft die Staatsanwaltschaft ihnen vor. Am Vormittag (9.30 Uhr) startet am Landgericht Duisburg der Prozess gegen die inzwischen 14 und 15 Jahre alten Jugendlichen. Die tatverdächtigen Zwölfjährigen sind nicht strafmündig, eine Gerichtsverhandlung gegen sie wird es daher nicht geben.

Die Tat sorgte vor einem knappen halben Jahr bundesweit für Entsetzen und eine breite öffentliche Diskussion über das Jugendstrafrecht.

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© stern
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Der Tatvorwurf

Am 5. Juli gegen 22.15 Uhr, an einem Freitagabend, bellte der Hund von Anwohnern in der Altstadt von Mülheim an der Ruhr und ließ sich nicht mehr zur Ruhe bringen. Die Anwohner schauten daher in einem Waldstück neben ihrem Grundstück nach. Dort entdeckten sie die junge Frau und zwei männliche Personen, die beide sofort die Flucht ergriffen. Die Anwohner alarmierten die Polizei. Wenig später wurde drei 14-Jährige und zwei Zwölfjährige von Polizeibeamten gestellt.

Die Ermittlungen ergaben, dass einer der Verdächtigen das Opfer zu einem Treffpunkt in der Nähe gelockt und von dort in ein Waldstück geführt haben soll. Dort haben die drei Jugendlichen und zwei Kinder dann laut Anklage "gewaltsam den Geschlechtsverkehr mit der Frau erzwungen". Ein Polizeisprecher sagte seinerzeit:  "Es war Gewalt im Spiel, massive Gewalt." Ermittler sprachen von einem "schweren Sexualdelikt".

Das Opfer

Bei der jungen Frau handelt es sich um eine zur Tatzeit 18-Jährige. Sie ist nach der Tat verletzt ins Krankenhaus gekommen und wurde betreut. Auch ihrer Familie wurde Hilfe angeboten Weitere Angaben machten die Behörden mit Blick auf den Opferschutz nicht.

Die Verdächtigen von Mülheim

Alle fünf mutmaßlichen Täter sind bulgarische Staatsbürger, die mit ihren Eltern in Deutschland leben. Sie wurden nach der Festnahme in Anwesenheit ihrer Eltern vernommen und kamen am Tag nach der Tat zurück zu ihren Familien übergeben. In den Vernehmungen hatte sich der Verdacht gegen sie "verdichtet", teilte die Polizei anschließend mit, ohne näher ins Detail zu gehen. Drei Tage nach der Gruppenvergewaltigung in Mülheim kam einer der 14-Jährigen doch in Untersuchungshaft – in den Akten fand sich der Hinweis, dass er bereits wegen zwei sexuellen Belästigungen aufgefallen war, bevor er mit dem 14. Geburtstag strafmündig wurde. Er hatte bereits an Präventivmaßnahmen teilgenommen. Das Amtsgericht sah eine Wiederholungsgefahr und erließ den Haftbefehl gegen den Jugendlichen. Später kam der Verdacht heraus, dass der Inhaftierte das Opfer vom 5. Juli schon einmal mit zwei weiteren Jugendlichen vergewaltigt haben soll.

Die Folgen

Während das Opfer betreut wurde, begann ein monatelanges Hickhack um den Umgang mit den verdächtigen Jugendlichen und Kindern sowie ihren Familien. Das Jugendamt empfahl den Eltern, ihre Kinder vorerst nicht mehr zur Schule zu schicken und bot seine Hilfe bei der Erziehung der Zwölf- bis 14-Jährigen an – auch eine Herausnahme aus der Familie war dabei eine Option.

Parallel wurde geprüft, inwiefern es möglich war, die Familien der Tatverdächtigen zurück in ihr Herkunftsland Bulgarien zu schicken. Nach EU-Recht ist eine Rückführung aus Deutschland in eine anderes Land der Europäischen Union jedoch im Grundsatz nur möglich, wenn "jemand keine Arbeit hat, keine Arbeit sucht und auch nicht nachweisen kann, dass er eine sucht", erläuterte ein Sprecher der Stadt Mülheim. Letztendlich sah die Stadt nur im Fall der Familie des Inhaftierten diese Möglichkeit – kurz vor Ablauf einer Frist präsentierte die Mutter der Familie jedoch einen Arbeitsvertrag.

Die Reaktionen

Die Tat löste einmal mehr eine Debatte über die Strafmündigkeit von Kindern aus. Während Stimmen wie die Rainer Wendts, Vorsitzender der deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) forderte, die Strafmündigkeit auf zwölf Jahre herabzusetzen, warnten zum Beispiel der Deutsche Richterbund und der Deutsche Kinderschutzbund vor diesem Schritt. Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) lehnte eine Herabsetzung des Alters ab. In der stern-Diskuthek lieferte sich DPolG-Chef Wendt mit dem Berliner Jugendrichter Andreas Müller einen hitzigen Schlagabtausch über das Thema.

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Der Prozess

Die Verhandlung gegen die drei Jugendlichen, von denen einer inzwischen 15 ist, findet vor der Jugendkammer des Duisburger Landgerichts statt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet auf gemeinschaftliche Vergewaltigung. Für den Prozess sind derzeit zehn Verhandlungstage angesetzt, ein Urteil wird nach gegenwärtigem Stand für den 5. März erwartet. Die Verhandlung ist nicht öffentlich, da die Angeklagten Jugendliche sind.

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