Missbrauch in Kirche und Schulen Merkel fordert schonungslose Aufklärung

Schluss mit dem Schweigen und Vertuschen: Die Kanzlerin erwartet im Missbrauchsskandal eine schonungslose Aufklärung - und spricht von einer Bewährungsprobe für die Gesellschaft.

Angesichts immer neuer Fälle von Misshandlungen an Schulen und kirchlichen Einrichtungen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von den Verantwortlichen schonungslose Offenheit und Aufklärung verlangt. "Es gibt nur eine Möglichkeit, dass unsere Gesellschaft mit diesen Fällen klar kommt, und das heißt: Wahrheit und Klarheit über alles, was passiert ist", sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag. Zugleich räumte sie ein: "Völlige Wiedergutmachung wird und kann es nicht geben."

Man müsse über Verjährung und könne über Entschädigung sprechen, sagte die Kanzlerin. "Dass Menschen, die so etwas erfahren haben, sich in dieser Gesellschaft wieder anerkannt, aufgehoben fühlen und wenigstens ein Stück Wiedergutmachung bekommen", sei eine Bewährungsprobe für die gesamte Gesellschaft. Der sexuelle Missbrauch an Kindern sei ein "verabscheuungswürdiges Verbrechen". Jedem sei bewusst, dass es die Betroffenen ein ganzes Leben lang begleite.

Merkel: Debatte nicht auf die Kirche verengen

Mit Blick auf massive Vorwürfe gegen geistliche Würdenträger betonte Merkel, die Diskussion über die Aufarbeitung dürfe sich nicht auf die katholische Kirche beschränken, auch wenn die ersten Fälle aus diesem Bereich bekanntgeworden seien. "Es ist etwas, was in vielen Bereichen der Gesellschaft sich ereignet hat und es ist vor allen Dingen auch etwas, was sich heute teilweise in anderer Form, aber mit gleichen Folgen, weiter ereignet."

Sie sei deshalb froh, dass Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sowie Bildungsministerin Annette Schavan und Familienministerin Kristina Schröder (beide CDU) gemeinsam ein Gesprächsforum bildeten. Zwischen den Ministerinnen hatte es zuvor Streit darüber gegeben, ob es zwei Runde Tische zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle geben sollte.

Bischof: In der Kirche wurde vertuscht

Unterdessen hat der Sonderbeauftragte der katholischen Kirche für die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in Deutschland, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, schwere Versäumnisse der Kirche eingeräumt. "Da, wo kein wirklicher Aufklärungswille vorhanden war und Täter einfach nur versetzt wurden, müssen wir in einer ganzen Reihe von Fällen gestehen, dass vertuscht worden ist", sagte Ackermann der "Rhein-Zeitung". Die Schuldfrage sieht der Bischof dabei weniger bei der Kirche als Institution, sondern bei den Tätern und denjenigen, die als Vorgesetzte ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden seien.

Ackermann äußerte sich zuversichtlich, dass die Missbrauchsfälle nun zügig aufgearbeitet würden. "Wir werden in diesem Jahr unsere Leitlinien überarbeitet und die Entschädigung geklärt haben", sagte er der in Koblenz erscheinenden Zeitung. Eine finanzielle Unterstützung der Opfer sei allerdings nur ein Teil der Entschädigung. "Die Anerkennung des Unrechts muss diesen Menschen auch gerecht werden. Wir wollen uns nicht durch bestimmte Summen freikaufen", sagte der Geistliche.

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APN/AFP/DPA

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