Spionageaffäre zwischen USA und Russland Agententhriller an der Donau

Früher führte der Weg in die Freiheit über die Glienicker Brücke bei Berlin - vorzugsweise im Morgengrauen. Jetzt starten die USA und Russland angeblich wieder einen großen Agentenaustausch. Diesmal ist Wien die Drehscheibe, auch die "Agentin 90-60-90", Anna Chapmann, soll dabei sein.

Alles geschieht hinter den Kulissen. Angeblich flog Russland einen inhaftierten Top-Agenten bereits in einer Nacht- und Nebelaktion in die Donaumetropole Wien aus. Weitere sollen folgen. Im Gegenzug sollen bis zu zehn russische Spione, die jüngst in den USA in die Falle gingen, die Freiheit erhalten - einschließlich der schönen Anna Chapman, geborene Kuschtschenko ("Agentin 90-60-90"). Insider sprechen schon vom größten Agentenaustausch seit dem Kalten Krieg - offiziell hüllen sich die Regierungen jedoch in Schweigen.

Wohl niemals zuvor wurde derart schnell eine Operation zum Agentenaustausch eingefädelt. Erst am 27. Juni ließ das FBI die russischen Maulwürfe in den USA hochgehen. Kaum zwei Wochen später war vom "spy swap" (Austausch der Spione) die Rede. Bereits am Mittwoch begab sich Top-US-Diplomat William J. Burns in die russische Botschaft. Beamten des State Departement bestätigen allerdings nur, dass es um den Spionagefall ging. Doch für Insider war klar: Da wird ein Deal eingefädelt. Auch der Anwalt von Anna Chapman signalisierte Bewegung.

Wie nun bekannt wurde, wollen die festgenommenen Männer und Frauen sich am Donnerstag vor einem Gericht in New York schuldig bekennen. Das Schuldbekenntnis sei Teil einer Abmachung zwischen Anklage und Verteidigung, sagte ein Staatsanwalt zu Beginn einer Gerichtsanhörung, bei der alle Verdächtigen anwesend waren. US-Medienberichten zufolge könnte das Schuldbekenntnis den Weg für ihre Abschiebung im Austausch gegen in Russland inhaftierte Agenten freimachen.

Schlüsselfigur in der Psychokrise

Schlüsselfigur in dem Drama ist der 45-jährige russische Nuklearexperte und angebliche CIA-Agent Igor Sutjagin, der zu 15 Jahren wegen Hochverrats verurteilt worden war. Zwar bedeutet der Austausch für ihn die ersehnte Freiheit. Dennoch befinde er sich "in einer schweren psychischen Krise", wie seine Anwältin versichert. Menschenrechtler haben stets betont, er sei unschuldig. Seine Familie ließ sogar wissen, er ziehe es vor, in Russland zu bleiben.

Doch der Kreml spielte mit Haken und Ösen. Der Geheimdienst ließ ihn wissen, als Bedingung für eine Freilassung müsse er ein Geständnis unterschreiben. Weigere er sich, hätte dies "böse Folgen", teilte seine Anwältin Anna Stawizkaja mit. "Sie haben ihm ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen kann", meinte die Juristin. Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann - das ist der Schlüsselsatz aus dem weltberühmten Mafia-Thriller "Der Pate".

Weitere Schritte der Operation: Laut russischen Medien wurden auch andere "Westspione" nach Moskau gebracht. Als Zwischenstopp diente das das frühere KGB-Gefängnis Lefortowo - dort kam 1987 auch der deutsche Flieger Mathias Rust unter, nachdem er in einer halsbrecherischen Aktion mit einem Kleinflugzeug auf dem Roten Platz gelandet war.

Spionage-Skandal zur Unzeit

Grund der Eile: Für beide Regierungen kommt der Spionage-Skandal zur Unzeit, beide sind daran interessiert, dass das "Tauwetter" nicht gefährdet wird. So hatte US-Präsident Barack Obama noch kurz vor den Festnahmen der Spione seinen Kollegen Dmitri Medwedew im Weißen Haus empfangen - ihn seinen "Partner und Freund" genannt und über die Kalte-Kriegs-Vergangenheit gescherzt. Da beide Politiker ja nun ein Twitter-Konto besäßen, könnten sie ja "endlich die Roten Telefone wegwerfen".

Ohnehin meinen Kenner der Materie, die Spione hätten in ihrer fast zehnjährigen Tätigkeit in den USA nicht wirklich echte Geheimnisse ans Licht gebracht. US-Medien sprechen gar von "Stümper-Spionen". Schon jetzt sei die Affäre eine "Blamage" für den russischen Geheimdienst, meint die Zeitung "Wremja Nowostej". Die Verbesserung der Beziehungen zu Washington könne die Affäre trotzdem nicht verhindern. Und wie zur Bekräftigung der These billigte der Auswärtige Ausschuss der Duma am Donnerstag den START-Abrüstungsvertrag zwischen Moskau und Washington.

DPA
zen/DPA/AFP

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