Am Anfang dieser Geschichte stand ein Brief. Er hat ihn mir an meine private Adresse geschickt; das war zu einer Zeit, als ich noch im digitalen Telefonbuch verzeichnet war. Der Absender lautete: Markus W., Ziegeleiweg 13, Lenzburg.
Am Ziegeleiweg in Lenzburg liegt eine der größten Strafvollzugsanstalten der Schweiz.
Markus W. bat mich darum, einen Artikel über ihn zu schreiben. Er saß seit vielen Jahren im Gefängnis und sollte noch lange einsitzen. Zwar hatte er seine Freiheitsstrafe bereits verbüßt, doch zum Schutz der Öffentlichkeit blieb er auf unbestimmte Zeit vorsorglich weggesperrt: Die Richter hatten Markus W. zu anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Der Grund: Er hatte Frauen vergewaltigt. Viele Frauen.
Trotzdem war Markus W. überzeugt, so versicherte er mir in seinen wohlformulierten Zeilen, dass die Sicherheitsverwahrung in seinem Fall nicht mehr gerechtfertigt sei. Das könne er belegen und das habe er bewiesen: Er sei lange auf der Flucht gewesen und habe sich in dieser Zeit nichts zuschulden kommen lassen – auch ein psychiatrisches Gutachten attestiere ihm, dass er nicht mehr gefährlich und nicht rückfallgefährdet sei. Er werde zu Unrecht verwahrt. Darum solle ich über ihn berichten.
Es geht mir dabei nicht um die Frage meines Urteils der Verwahrung, schrieb Markus W. Vielmehr geht es mir darum, wie die Verantwortlichen, Vollzugsbehörden, Gutachter, Therapeuten und Strafanstalten damit umgehen. Ich möchte aufzeigen, wie viel Willkür hinter dieser „Fabrik“ Strafvollzug steht, immer unter dem Deckmantel „zur Sicherheit der Öffentlichkeit“.
Er würde sich sehr gern mit mir darüber unterhalten, ich solle ihn doch mal besuchen.
Das tat ich dann auch.
