Crime Story Cowboy Bob

str_crime-white Von Skip Hollandsworth
Der Räuber trug einen Hut, einen Bart und sprach kein Wort. Als das FBI ihn endlich hatte, staunten die Agenten: Er war eine Frau. Sie waren sicher: Von der würden sie nie wieder hören. Auch das war ein Irrtum
Cowboy Bob
© Christoph Sagel/Eva Jauss

Fragt man alte Weggefährten nach Peggy Jo Tallas, fallen Worte wie „warmherzig“, „normal“, „unauffällig“. Sie war eine Frau mittleren Alters, die mit ihrer kranken Mutter in einem kleinen Apartment bei Dallas lebte. Jeden Morgen stand sie auf, machte das Bett und strich die Laken glatt. Dann ging sie ins Schlafzimmer der Mutter, legte ihr einen Morgenmantel um, führte sie in die Küche, bereitete Haferflocken zu und reichte ihr die Tabletten. Einige Minuten saßen die beiden beisammen. Peggy Jo aß nie etwas. Sie rauchte eine Zigarette und trank Pepsi aus einem Kaffeebecher. Nach dem Frühstück brachte sie die Mutter behutsam zurück ins Schlafzimmer, stützte sie mit einem Kissen, stellte ein Glas Wasser auf den Nachttisch und legte einen Liebesroman dazu. Dann ging sie in ihr Zimmer und zog sich um. 

Sie trug am liebsten Cargohosen, ein schlichtes Oberteil und Slipper. Doch an einem schönen Morgen im Mai 1991 wählte sie ein anderes Outfit. Die 46-Jährige öffnete eine Schublade der Kommode, auf der ihre Kollektion aus Glasdelfinen stand. Sie zog eine Herrenhose und ein dunkles Hemd heraus. Aus dem Schrank nahm sie eine braune Lederjacke. Dann griff sie nach dem Styroporkopf mit dem falschen Bart und dem weißen Cowboyhut, der oben im Schrank stand.

Erschienen in stern Crime 20/2018. Dieser von uns leicht gekürzte Artikel erschien erstmals im November 2005 im "Texas Monthly". Aus dem Amerikanischen von Anuschka Tomat