In den Dörfern Galiciens erzählten sie sich damals: Wenn ein männliches Kind am Heiligen Abend zur Welt kommt oder am Karfreitag; wenn es der siebt- oder neuntgeborene Sohn ist, dann liegt über dem Kind ein Fluch. Es ist dazu verdammt, sich in einen Werwolf zu verwandeln
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Er war so sanft. Und schön. Mit feinen Gesichtszügen, fast wie ein Mädchen. Klein von Statur war er, und nicht besonders kräftig, aber das machte nichts. Er hatte geschickte Hände. Mit seinen zarten Fingern konnte er Dinge tun, die kein anderer Mann fertiggebracht hätte. Er konnte nähen und sticken und kochen, er kannte sich mit Heilpflanzen aus; er war gut zu den Frauen. Sie verliebten sich schnell in ihn.
Sein Name war Manuel Blanco Romasanta. Als sie ihn am 2. Juli 1852 auf einem Acker bei Toledo verhafteten, sagte er, er habe 13 Menschen getötet. Mindestens. Vor allem Frauen und ihre Kinder. Eine Waffe habe er nie benutzt. Nur Klauen und Zähne. „Ich mordete und ernährte mich von dem Fleisch meiner Opfer“, sagt er vor Gericht. Meist habe er allein getötet. Manchmal in Begleitung zweier Männer aus dem fernen Valencia. Männer, die so waren wie er. Halb Mensch, halb Tier. Nicht er sei schuld an seinen Taten, sagte Romasanta. Denn seit seinem 13. Lebensjahr laste ein Fluch auf ihm. Er sei zu einem unsteten Leben in der Kriminalität verdammt. Außerdem überkämen ihn regelmäßig diese Zustände. Zuckungen. So kündigte sich die Verwandlung an, genau wie bei seinen Mittätern. „Wir zogen uns nackt aus und wälzten uns auf dem Boden. Dann setzte die Verwandlung ein. Wir griffen unsere Beute an und verschlangen sie bis auf die Knochen. Manchmal dauerte der Zustand unserer Verwandlung acht Tage an. Wenn wir wieder menschlich und bei Sinnen waren, weinten wir über unsere Taten.“ Zu den wenigen Sachen, die er bei sich trug, gehörte ein Mondkalender.