Vielleicht lag auch alles nur daran, dass er in einem mythischen Märchen- und Sagenland aufgewachsen war. Heißt es jedenfalls. Bei Meisterschwindlern weiß man natürlich nie so genau. Gefängnisdokumente jedenfalls sagen, Victor Lustig sei 1890 im böhmischen Arnau geboren, heute Hostinné in Tschechien.
Kleine Stadt im Riesengebirge. Rübezahlland. Die böhmischen Berggeister kann man nur zähmen, wenn man sie austrickst. Man muss ihnen Aufgaben stellen, an denen sie zu knacken haben; muss sie Rüben zählen lassen. Irgendwie ihren Kopf beschäftigen, damit man sie bändigen kann. Listig muss man sein, furchtlos und dreist. Erst dann geben dich die Berggeister frei, und die ganze Welt steht dir offen.
Rübezahlland. Böhmen. Altes Europa. Ganz altes Europa. Burgen, Zugbrücken, neblige Wälder. Bisschen abgelegen vielleicht. Ziemlich hinter den Bergen. Sehr viel mehr als einen quadratischen Marktplatz mit Rathaus und alter Pestsäule hatte Arnau nicht zu bieten. Pestsäule: verständlich, wenn da einer raus will. Bunte weite Welt.
So groß war Lustigs Lebenshunger, dass er bald merkte, dass er ihn auf bürgerlichem Wege wohl nur schwerlich würde stillen können. Also lief er mit zwölf von zu Hause fort. Schlug sich fortan als Bettler, Taschendieb und Straßengauner durch. Stromerte durch Wien, Prag, Paris. Immer wieder landete er im Knast. Egal, das war eben der Preis. Draußen: was für ein Glanz überall. Lange Zeit war Frieden gewesen in Europa. Alles gedieh und prosperierte. Bälle, Schaumwein, Walzermusik. Alles drehte sich. Es schien fast, als könnten die Menschen von Schwindel gar nicht genug bekommen. Als wollten sie beschwindelt werden.
Nun denn, dann sollte es so sein: Victor Lustig lernte Billard, Poker, Bridge – alles, was schnellen Gewinn versprach. Bald hieß es, er könne alles mit einem Stapel Karten anstellen – außer ihn zum Reden bringen. Das Kartenspiel war eine gute Vorschule. Er lernte, die Menschen einzuschätzen. Ihre Aufmerksamkeit dorthin zu lenken, wo er sie haben wollte. Anschließend konnte er ihnen dann das Geld aus der Tasche ziehen.