Sie sind hoch umstritten, dennoch erlaubt und insbesondere bei Prominenten beliebt: Deals zwischen Verteidigern und Anklägern mit Zustimmung der Richter. Der Beschuldigte akzeptiert ein bestimmtes Strafmaß als Buße, das der Rechtsanwalt des Delinquenten mit der Staatsanwaltschaft aushandelt. Dafür kommt der Angeklagte, wenn das Gericht einverstanden ist, mit einer Geldstrafe und Bewährung davon. Zudem bleiben ihm der Prozess samt öffentlicher Zeugenaussagen und - besonders wichtig für Promis - dauernde Blitzlichtgewitter der Fotografen im Gerichtssaal erspart. Die Justiz hat den Vorteil der "Prozessökonomie". Richter brauchen sich nicht in hochkomplizierte Fälle einarbeiten. Das ist der Grund, warum Deals bei Steuerhinterziehung relativ häufig sind. Das Gericht muss sich keine Schneise in den deutschen Steuerdschungel schlagen, um das Verhalten des Beschuldigten strafrechtlich zu beurteilen.
Man kann sich sehr gut vorstellen, dass Uli Hoeneß, der sich selbst wegen Schwarzgeld in der Schweiz angezeigt hat, Interesse daran hat, nicht auf der Anklagebank sitzen zu müssen und sich ablichten zu lassen. Und tatsächlich sollen seine Verteidiger einem Bericht der "Bild am Sonntag" zufolge der Staatsanwaltschaft München einen Deal angeboten haben. Die Ermittler hätten das Angebot jedoch abgelehnt, meldete das Blatt unter Berufung auf Kreise der bayerischen Landesregierung und der Justiz. Angeblich soll der Präsident des FC Bayern München bereit gewesen sein, neben einer Geld– eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung zu akzeptieren.
Staatsanwaltschaft gibt sich cool
Offizielle Stellungnahmen gab es weder von der Staatsanwaltschaft noch von den Rechtsanwälten des Beschuldigten. Die bayerische Justiz blieb bei ihrer Linie, das Verfahren nicht im Detail zu kommentieren. Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich sagte der "Bild am Sonntag": "Zu Inhalten des Ermittlungsverfahrens äußern wir uns nicht, dazu gehören auch Gespräche mit den Verteidigern." Immerhin lässt die Aussage den Schluss zu, dass es Kontakte zwischen den Hoeneß-Anwälten mit den Anklägern gibt. Die Zeitung will auch erfahren haben, dass die Verteidiger in diesen Gesprächen nichts unversucht gelassen hätten, strafmildernde Umstände für ihren Mandanten geltend zu machen. So hätten sie die Neigung von Hoeneß zu Börsenspekulationen als Sucht dargestellt.
Dass die Verteidigungsstrategie des Fußball-Managers, der innerhalb weniger Tage von einer Kultfigur mit Herz für sozial Schwache zum Buhmann mutiert ist, in diese Richtung gehen könnte, war nach seinen spektakulären Aussagen in der "Zeit" vermutet worden. In einem ausführlichen Interview hatte sich Hoeneß einerseits als reuiger Steuersünder ("Riesenmist gebaut") und andererseits als getriebener Börsenspekulant stilisiert, der Tag und Nacht gehandelt und nach dem Platzen der Dotcom-Blase 2000 sowie im Zuge der Finanzkrise 2008 hohe Verluste erlitten habe. "Das war der Kick, das pure Adrenalin", schilderte er sein Verhalten. "Inzwischen halte ich mich für kuriert." Dem Bericht der "Bild am Sonntag" zufolge soll die Beichte die Staatsanwaltschaft kalt gelassen haben. Die Zeitung zitierte eine mit dem Vorgang vertraute Person aus der Justiz: "Jeder Beschuldigte hat das Recht, sich auch öffentlich zu seinem Verfahren zu äußern. Wir halten uns aber lieber an die Fakten als an Interview-Aussagen.“
Selbstanzeige zur rechten Zeit?
Falls seine Verteidiger tatsächlich der Anklagebehörde einen Deal angeboten und die Ermittler die Offerte abgelehnt haben sollten, bedeutet das nicht automatisch, dass Hoeneß der Prozess gemacht wird. Entscheidend ist, ob die Staatsanwaltschaft die Selbstanzeige als strafbefreiend wertet, was bisher nicht klar ist. In dem Schreiben hatte Hoeneß sein bis dahin geheimes Konto in der Schweiz offenbart, auf dem er unversteuertes Geld aus Börsengeschäften angelegt hatte. Zentrale Frage und damit wichtiger Bestandteil der Ermittlungen ist, ob die Bezichtigung in eigener Sache rechtzeitig in der Justizbehörde eingegangen ist. Kam sie zu spät, muss Hoeneß mit einem Prozess rechnen - und sogar mit einer Haftstrafe ohne Bewährung. Das wiederum hängt von der Höhe der hinterzogenen Steuern ab. Der Bundesgerichtshof gibt vor, dass ab einer Million Euro keine Bewährungsstrafe mehr verhängt werden soll.
Im Fall des Bayern-Patriarchen soll die Steuerschuld angeblich 3,2 Millionen Euro betragen. Hoeneß überarbeitete seine Selbstanzeige, der Lücken nachgesagt wurden. Die neuen Angaben überprüfen die Ermittler noch. Gegen Zahlung einer Kaution von fünf Millionen Euro wurde der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Hoeneß graust es vor einem Gefängnisaufenthalt: "Ich kann diesen Gedanken nicht zulassen."
Nächste Hürde Aufsichtsrat
Am Montag tagt der Aufsichtsrat des FC Bayern München, dessen Vorsitzender Hoeneß ist. Dort wird eine Erklärung des Steuertricksers erwartet - und Druck der anderen Mitglieder auf Hoeneß, den Posten abzugeben oder ruhen zu lassen, bis das Strafverfahren beendet ist. "Wenn ich das Gefühl habe, dass meine Person dem Verein schadet, werde ich Konsequenzen ziehen. Andererseits steht der Verein sportlich und wirtschaftlich so gut da wie nie zuvor - und daran habe ich auch einen großen Anteil. Auf keinen Fall werde ich vor dem Finale der Champions League zurücktreten", hatte er der "Zeit" gesagt. Das ist am 25. Mai. Ob er tatsächlich so lange durchhält, bleibt abzuwarten. Nach Kanzlerin Angela Merkel lässt auch Finanzminister Wolfgang Schäuble Hoeneß fallen. Der Fußball-Manager habe "mehr als großen Mist gebaut" und könne sich nicht über den Umgang der Medien mit ihm beklagen, urteilte der CDU-Politiker in der "Bild am Sonntag". "Steuerhinterziehung ist ein strafwürdiges Unrecht."