Ob das große Atom-Desaster am havarierten Atomkraftwerk Fukushima noch verhindert wird, entscheidet sich nach Ansicht des Präsidenten der Gesellschaft für Strahlenschutz vermutlich bis Samstag. Wenn die Kühlversuche scheiterten, komme es zur Katastrophe, sagte Sebastian Pflugbeil der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag. "Das wird sich wahrscheinlich morgen, spätestens übermorgen entscheiden, ob es noch gelingt, da irgendwas zu machen."
Gelinge das Kühlen nicht, würden die freiliegenden Brennelemente in Block 4 immer heißer, die Hüllen gingen kaputt. Möglich seien auch Brände. Dann würde "die geballte Radioaktivität von mehreren Jahren Betriebsdauer" freigesetzt werden, befürchtet der Experte. In Block 4 des Kraftwerks befindet sich ein Abklingbecken für gebrauchte Brennelemente.
Pflugbeil sagte weiter: "Wenn das passiert, dann ist die ganze Anlage so hoch radioaktiv verseucht, dass man da praktisch nichts mehr machen kann. Und dann nimmt das Schicksal seinen Lauf, und es kommt zu einer Katastrophe, die sich hinter Tschernobyl nicht zu verstecken braucht."
Nach Ansicht des Greenpeace-Atomexperten Karsten Smid haben die Hubschraubereinsätze über dem Atomkraftwerk wenig Aussicht auf Erfolg. Die Frage sei, "wie viel Wasser, das abgeworfen ist, überhaupt in dem Reaktorbehälter ankommt. Die Situation sieht also sehr mies aus", sagte Smid im Programm von NDR Info. Japanische Armee-Hubschrauber schütteten am Donnerstag Tonnen von Wasser auf den Reaktor 3, wie der Fernsehsender NHK zeigte.
Die Techniker vor Ort versuchten zwar alles Menschenmögliche, sagte Smid. Es würden immer neue Pläne angekündigt, "aber letztendlich ist das, was sie machen, der Tropfen auf den heißen Stein. Sie haben seit Tagen die Lage nicht in den Griff bekommen." Aus Greenpeace-Sicht werde es ganz schwer, "dies noch rumzudrehen, die nukleare Katastrophe noch einzudämmen".
Zwar könne es möglicherweise gelingen, eine Nuklearexplosion zu verhindern, "das heißt eine explosionsartige Freisetzung eines großen Teils des radioaktiven Inventars". Doch auch dann könne es zu einer kontinuierlichen Kernschmelze über Tage und Wochen mit einer radioaktiven Wolke als Folge kommen.
Bei den verzweifelten Rettungsversuchen sind in den vergangenen Tagen nach Angaben der internationalen Atombehörde IAEA in Wien 23 Menschen verletzt worden. Mindestens 20 weitere Mitarbeiter wurden verstrahlt, hieß es in einer Mitteilung. Einer von ihnen war demnach sehr starker Strahlung ausgesetzt. Die IAEA bezieht sich mit ihren Angaben auf Mitteilungen der japanischen Regierung.
Unter den Verletzten sind Angestellte des Kraftwerkbetreibers Tepco sowie Mitarbeiter von Subunternehmen und vier Angehörige des Katastrophenschutzes. Zwei Mitarbeiter trugen leichte Verletzungen davon, mehrere wurden im Krankenhaus behandelt. 15 Menschen waren von den Reaktorexplosionen am Freitag und am Montag betroffen. Zwei Mitarbeiter werden weiterhin vermisst.
Die Atombehörde nennt zudem 18 Mitarbeiter, die Verstrahlungen davontrugen, in einem Fall war die Strahlendosis sehr hoch. Auch zwei Polizisten mussten dekontaminiert werden. Mehrere Feuerwehrleute, die vor Ort waren, werden zudem medizinisch beobachtet, hieß es weiter.