Zwei Tage nach dem verheerenden Erdrutsch am Tagebausee in Nachterstedt in Sachsen-Anhalt haben Experten auf dem betroffenen Gelände neue Risse im Erdreich entdeckt. "Es ist nicht auszuschließen, dass es zu weiteren Abbrüchen kommt", sagte Uwe Steinhuber, Sprecher der für die Flutung des Tagebausees zuständigen Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV), am Montag in Nachterstedt. Die Risse reichen bis zur nächsten Häuserreihe. Das Gebiet wurde zur Katastrophenregion erklärt.
Nach dem Auftreten der neuen Risse drohen vor allem bei starkem Regen weitere Erdabbrüche. Am Montag war es in der Gegend um Nachterstedt allerdings zunächst trocken. Da die Risse bis zu nächsten Häuserreihe reichen, scheint eine Rückkehr der Hausbewohner unmöglich zu sein. Am Sonntagabend hatten Anwohner persönliche Dinge aus ihren gesperrten Häusern holen können. Unter Begleitung von Rettungskräften durften sie für eine halbe Stunde erstmals seit dem Unglück ihre einsturzgefährdeten Häuser wieder betreten. Gegen 21.30 Uhr kehrten die Anwohner mit Kisten und Säcken bepackt wieder auf sicheres Gelände zurück.
Vermisste offenbar tot
Für die drei vermissten Bewohner gibt es keine Hoffnung mehr, dass sie noch leben. Die ganze Nacht über wurde mit einer Wärmebildkamera nach ihnen gesucht. Der Landrat des Salzlandkreises, Ulrich Gerstner (SPD), erklärte, der Einsatz in der Nacht sei nicht erfolgreich gewesen. "Auch dieser Versuch hat uns keine Erkenntnisse über Standorte von lebenden oder nicht lebenden Personen gebracht."
Am frühen Samstagmorgen war urplötzlich eine etwa sechs Fußballfelder große Fläche in den See gerutscht und hatte ein Doppelhaus und die Hälfte eines Mehrfamilienhauses mehr als 100 Meter mit in die Tiefe mitgerissen. Seitdem werden ein Ehepaar und ein Mann im Alter von 48, 50 und 51 Jahren vermisst.
Als letzte Möglichkeit, die drei Vermissten im Concordia-See zu orten, gilt ein Einsatz der Bundeswehr. Ein Pioniererkundungstrupp soll prüfen, ob Bundeswehrtechnik eingesetzt werden kann. Es handelte sich um Angehörige des Panzerpionierbataillons aus Havelberg im Norden Sachsen-Anhalts.
Wegen der unsicheren Lage verstärkte die Polizei am Montag die Absperrungen an den Ufern des seit einigen Jahren als Freizeitsee genutzten Gewässers im Harzvorland. Aus Sicherheitsgründen sollen mehrere Waldwege zugeschüttet werden. "In der Gefahrenzone besteht Lebensgefahr", sagte ein Polizeisprecher. "Es es ist um den See mindestens weiterhin so gefährlich wie bisher, wenn nicht sogar gefährlicher geworden", sagte Rüdiger Erben (SPD), Staatssekretär des Landesinnenministeriums.
Über die genaue Unglücksursache herrscht weiter Rätselraten. "Alles was im Raum steht, ist spekulativ", sagte der LMBV-Sprecher, Steinhuber. Er betonte, sein Unternehmen werde den rund 40 Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten, zur Seite stehen. "Wir wollen unbürokratisch und unter Zurückstellung offener rechtlicher Fragen schnell helfen", sagte er. Die LMBV will dazu bis Dienstag eine Kontaktstelle für die Betroffenen in Nachterstedt einrichten.