Katastrophe in Japan Die große Not der Kleinsten

Die Kinder in Japans Katastrophengebiet leiden enorm. Viele sind ohne Eltern, völlig erschöpft, frieren, haben Angst. Die radioaktive Strahlung schädigt zudem ihren Organismus besonders stark.

Verstörte, erschöpfte Kindergesichter. Obdachlose, traumatisierte Jungen und Mädchen, viele von ihnen Waisen. Das Leid der Kleinsten in den japanischen Katastrophengebieten ist unermesslich, wie Hilfsorganisationen schildern. Zudem sehen Experten besondere große Gesundheitsgefahren für Kinder durch die radioaktive Strahlung. Ihr Organismus nimmt radioaktive Substanzen intensiver auf, sagt Prof. Jörg Mahlstedt, Vorstandsvorsitzender des Berufsverbands Deutscher Nuklearmediziner.

Nach Schätzungen sind mehrere zehntausend, wahrscheinlich rund 100 000 Kinder obdachlos nach Erdbeben und Tsunami. Viele wurden von ihren Eltern getrennt. Wie viele irgendwo alleine gestrandet sind, ist noch immer nicht klar. "Vor allem die jüngeren Kinder zittern bei jedem Nachbeben vor Angst und verkriechen sich weinend", berichtet Caelina Maurer, die ein Heim der Malteser in der schwerbeschädigten Küstenprovinz Iwate leitet. Die Kinder stehen unter Schock, frieren bei Minusgraden in der Nacht, sind total entkräftet.

"Es gibt immer noch Kinder, die nicht wissen, ob ihre Eltern die Katastrophe überlebt haben", sagt Silvia Holten vom Kinderhilfswerk World Vision. Die obdachlosen Mädchen und Jungen hätten oft nichts anderes als ein Stück Pappe, müssten die eiskalten Nächte im Freien verbringen und bräuchten schnellstens Hilfe.

In speziellen Zentren sollen psychologische Betreuung und das Spielen mit anderen Kindern etwas Gleichgewicht zurückbringen. "Viele Kinder haben traumatische Erlebnisse hinter sich. Sie mussten mitansehen, wie Häuser einstürzten oder die Flutwelle ganze Straßenzüge zerstörte", berichtet World Vision. "Die Kinder in Japan brauchen jetzt unsere Solidarität", betont auch das UN-Kinderhilfswerk Unicef. Ihre Lage sei verzweifelt, es fehle an allem - von Trinkwasser und Nahrung über Decken bis hin zu Windeln.

"Die Welt der Kinder gerät völlig aus den Fugen. Was die Kinder jetzt gar nicht aushalten könnten, wären demoralisierte Erwachsene", meint Klaus Neumann vom Berufsverband Deutscher Psychologen. "Aber da haben uns die Japaner ja offenbar in Sachen Ruhe und Struktur etwas voraus." Und so sagen viele Erwachsenen ihren Kindern bewusst nicht, dass noch dazu eine atomare Katastrophe im Gang ist.

Die düstere Wahrheit ist: "Kinder sind durch radioaktive Strahlung deutlich stärker gefährdet als Erwachsene", erklärt Prof. Mahlstedt. Zum einen nehmen sie wegen ihres Knochenwachstums mehr radioaktives Strontium auf. Es könne - je nach Dauer und Stärke der Aufnahme - zu Störungen im Blutbild kommen, die Knochenzellenproduktion werde vermindert, es könnten sich Tumore bilden.

Auch die Gefahr von Schilddrüsenkrebs ist dem Experten zufolge bei Kindern viel größer als bei Erwachsenen, wie Tschernobyl gezeigt habe. "Bei der Verteilung von Jod-Tabletten müssten deshalb immer zuerst die Kinder drankommen, denn die reelle Aufnahme von Radioaktivität kann dadurch verringert werden. Ansonsten ist vorbeugend kaum etwas möglich."

Schwangere müssten im Katastrophengebiet besonders vorsichtig sein, denn für ihre ungeborenen Kinder sei die Gefahr "extrem ausgeprägt". Sollte eine noch größere Massenevakuierung nötig werden, "müsste man Kinder und Schwangere zuerst wegbringen".

DPA
Yuriko Wahl, DPA

PRODUKTE & TIPPS