Ich bin schwanger. Welche Auswirkungen hätte eine mögliche Erhöhung der Radioaktivität hier in Deutschland auf mein ungeborenes Kind? Sollte ich irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen treffen?
"Dazu besteht im Moment keinerlei Anlass", sagt Gerald Kirchner, Fachbereichsleiter Strahlenschutz und Umwelt beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). "Ich erwarte, dass uns in Deutschland keine Dosis an Strahlung erreicht, die in dieser Hinsicht irgendwelche Folgen haben könnte." Falls doch, würde in diesem Fall umgehend gewarnt.
Diese Frage stellt Simone H. aus Schwetzingen.
Kommt nicht die Radioaktivität unweigerlich irgendwann - in Wochen, Monaten, Jahren oder Jahrzehnten - auch zu uns?
Nach derzeitigem Stand droht Deutschland und Europa keine Gefahr. Zurzeit wird die radioaktive Wolke auf den Pazifik hinausgeblasen. Um bis nach Deutschland oder Europa zu gelangen, würden die radioaktiven Partikel mehrere Wochen benötigen. Bis dahin wäre die Konzentration radioaktiver Stoffe bereits so weit verdünnt, dass keine Gefahr für Menschen mehr bestehen würde. Denn die Wolke kann über dem Pazifik durch Regen oder Schnee ausgewaschen werden. "Über 90 Prozent der radioaktiven Stoffe zerfallen zudem auf diesem Weg und sind damit verschwunden", sagt Gerald Kirchner vom BfS. Nach derzeitiger Einschätzung des BfS sind daher selbst im ungünstigsten Fall für Europa lediglich geringfügige Auswirkungen zu erwarten.
Diese Frage stellte Eckhard S. aus Einbeck.
Wie hoch ist die Gefahr von gesundheitlichen Schäden in Deutschland, wenn man Fisch oder andere Lebensmittel in Zukunft verspeist?
Im Moment gibt es keine akute Gefahr. Japan exportiert nur wenige Lebensmittel und wenn, dann meist Spezialitäten wie Pilze, Gewürze, Tee, Saucen, Alkoholika und Fischspezialitäten. "Kontaminierte Frischwaren könnten theoretisch erst in etwa zwei bis sechs Monaten auf dem deutschen Markt auftauchen", teilt das Bundesumweltministerium mit. Künftig könnten aber Fische, Algen und Meeresfrüchte in bestimmten Fanggebieten belastet sein, da die Wolke über den Ozean zieht. Am stärksten betroffen ist der Nordwestpazifik, laut Kennzeichnung der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation handelt es sich um das Fanggebiet 61. Bei Fischen und Meeresfrüchten muss die Herkunft auf der Verpackung oder an der Theke angegeben werden. Ob die Belastung steigt, wird sich erst noch zeigen. Das hängt von der Windrichtung und weiteren Wetterlage ab. Falls sehr viel Radioaktivität freigesetzt wird, kann sich die Belastung ausdehnen und weltweit verteilen, wie nach Tschernobyl. "Cäsium hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren, das heißt, es wird lange im Wasser bleiben", sagt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Wie hoch die Belastung dann im Einzelfall sein wird, müssen Messungen zeigen. Es könnte sein, dass man dann von bestimmten Lebensmitteln abraten muss." Algen würden ein gewisses Risiko darstellen, weil sie Stoffe aus dem Wasser filtern. Auch Raubtiere wie Thunfische, die selbst viele Fische fressen, werden stärker belastet sein. "Die Behörden haben angekündigt, Lebensmittel künftig strenger kontrollieren zu wollen", sagt Schwartau. Der Grenzwert für Fische liegt bei 600 Bequerel pro Kilogramm Lebensmittel.
Diese Frage stellte Erika K.
Wie wird Radioaktivität in Deutschland überprüft?
Sollten radioaktive Partikel nach Deutschland gelangen, werden diese frühzeitig erkannt. Das BfS betreibt 1800 Messsonden, die die Radioaktivität in Deutschland messen. Sie würden auch umgehend eine mögliche erhöhte Radioaktivität aus dem japanischen Atomkraftwerk Fukushima erfassen. Zudem gibt es ein hochsensibles Vorwarnsystem auf dem Schauinsland bei Freiburg. Diese Messstation für atmosphärische Radioaktivität kann laut BfS feinste Konzentrationen von Radioaktivität in der Atmosphäre aufspüren. "Das BfS hat entsprechende Messtechniken in ganz Deutschland, die es ermöglichen, frühzeitig Radioaktivität zu erkennen", sagte Sprecher Florian Emrich. Diese sind rund um die Uhr auf der BfS-Hompepage einzusehen.
Diese Frage stellte Rudolf aus Kernen.
Geht von Gütern, die in Japan produziert und verpackt werden, wie Kleidung oder elektrische Artikel, eine Gefahr aus?
Die Lufthansa hat es vorgemacht: Das Unternehmen kontrolliert seine aus Japan ankommenden Maschinen seit Samstag auf Radioaktivität. "Auf lange Sicht ist dies sicher auch bei Industriegütern und Lebensmitteln ratsam", sagt Gerald Kirchner vom BfS. Nach Tschernobyl habe die EU Grenzwerte für Lebensmittel festgesetzt, die auch weiterhin in Kraft sind. "Momentan ist man dabei, diese zu überprüfen, sodass man im Notfall darauf zurückgreifen kann", sagt der BfS-Experte. Wer jetzt ein Handy oder Kleidung aus Japan kauft, müsse sich allerdings noch keine Sorgen machen. "Was momentan in Kartons und Kisten lagert, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit vor der Katastrophe produziert", sagt er. Auch Verbraucherschützerin Silke Schwartau glaubt, dass nach derzeitigem Stand von diesen Gütern keine Gefahr ausgeht. "Die meisten Konsumartikel werden in geschlossenen Räumen produziert und kommen somit nicht in Kontakt mit der Wolke", sagt Schwartau. Sollte die radioaktive Belastung über Tokio steigen, hätte man zwar über Klimaanlagen und dergleichen eine gewisse Beeinflussung. Dass die Belastung aber bis ins Innere gelangt, hält sie für sehr unwahrscheinlich. "Es kommt aber darauf an, wie sich diese Katastrophe weiterentwickelt", sagt sie.
Diese Frage stellte Steffi aus Beckingen.
Kann man sich vor radioaktiver Strahlung schützen?
In erster Linie gilt es, das betroffene Gebiet so schnell wie möglich zu verlassen. Damit sich radioaktives Jod nicht in der Schilddrüse einlagert, verteilen japanische Behörden Jodtabletten. Von einer vorsorglichen Einnahme raten Experten in Deutschland allerdings ab. Gegen Cäsium 137 gibt es keine Medikamente. Verbreiten sich radioaktive Stoffe durch Wind und Wetter, rät das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe dazu, sich möglichst in geschlossenen Räumen aufzuhalten. Schutzkleidung, wie ein wasserdichter Regenmantel, bietet zwar gegen die Strahlung keinen Schutz, verhindert aber, dass sich die Partikel auf der Haut absetzen. Die Kleidung sollte zu Hause schnell gewechselt werden. Wichtig ist es auch, Hände, Gesicht und Haare nach einem Aufenthalt im Freien gründlich zu waschen. "Einfacher Atemschutz ist dagegen kaum in der Lage, das Einatmen flüchtiger radioaktiver Stoffe zu verhindern", heißt es beim BfS. Auf möglicherweise belastetes Obst und Gemüse aus dem Garten sollte man besser verzichten. "Radioaktives Jod oder Cäsium reichern sich zum Beispiel in Milch oder Spinat an", sagt Gerald Kirchner vom BfS.
Diese Frage stellte Philipp aus Aichwald.
Sollte ich vorsichtshalber Jodtabletten kaufen?
Experten raten davon ab, jetzt Jodtabletten zu horten oder gar zu schlucken. Zwar verhindern Jodtabletten, dass sich radioaktives Jod aus der Luft oder aus Lebensmitteln in der Schilddrüse anreichert. "Sie helfen aber nur, wenn akut eine jodhaltige Wolke über Deutschland ziehen würde", sagt Verbraucherschützerin Silke Schwartau. Da die Halbwertzeit von Jod 131 nur wenige Tage betrage, könne der gefährliche Stoff hier gar nicht ankommen. Auch das Bundesumweltamt hält eine Gefahr für Deutschland für "praktisch ausgeschlossen". Apotheker warnen sogar davor, zu den Tabletten zu greifen. Diese sollten, falls überhaupt, nach behördlicher Aufforderung genommen werden, warnte die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Erwachsene über 45 Jahre sollten grundsätzlich auf hoch dosierten Jodtabletten verzichten, weil diese das Risiko für schwere Schilddrüsenerkrankungen erhöhen.
Diese Frage stellte Katja aus Halle.
Was kann ich von Deutschland aus machen, um den Menschen in Japan zu helfen?
Die Bilder der Katastrophe erschüttern: Erdbeben und Tsunami haben Abertausende Menschen in Japan obdachlos gemacht. Es fehlt an Kleidung, Wasser und Nahrungsmitteln. Dazu kommt die Angst vor dem Super-GAU. Angesichts dieser Not möchten viele Menschen helfen. Viele Hilfsorganisationen haben daher Spendenkonten für Japan eingerichtet. Eine Liste finden Sie hier.
Diese Frage stellte Vivian G.
Ist der Großraum Tokio aktuell bedroht?
Am Dienstag Ortszeit wehte der Wind kurzzeitig in Richtung der Millionen-Metropole Tokio. Mittlerweile hat sich die Situation jedoch wieder geändert. "Im Moment steht der Wind günstig, radioaktive Belastung wird auf den Pazifik geweht", sagt Christian Herold, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD). Dies bleibe bis Samstag so. Was an radioaktiven Partikeln in untere Luftschichten gelangt, wird Herold zufolge erst nach Osten geweht, biegt dann nach Süden ab und bewegt sich auf die Philippinen zu. Radioaktive Stoffe, die in höhere Schichten geschleudert werden, wandern Richtung Nordamerika. "Allerdings wird der Wind in den kommenden Tagen schwächer", sagt er. "Was jetzt auf den Pazifik gelangt, wird daher bis Montag keine Landmassen erreichen." Auch in anderer Hinsicht beruhigt der Meteorologe: Zwar könnte es in Tokio heute leicht regnen, doch da die Luft von Nord-Westen komme, streife sie das Kraftwerk nicht und enthalte daher auch keine radioaktive Strahlung. Für das Wochenende sei allerdings im Norden Japans mit Regen und Schnee zu rechnen. Radioaktive Teilchen könnten dann auf den Boden niedergehen.
Diese Frage stellte Michael W. aus München.
Kann ich noch nach Japan reisen?
Zurzeit gibt es nur eine Teilreisewarnung für den Nordosten der Insel Honshu: "Das Auswärtige Amt empfiehlt allen Deutschen in der Region um die Atomkraftwerke Fukushima und im Großraum Tokyo/Yokohama zu prüfen, ob ein Aufenthalt in Japan weiterhin erforderlich ist", heißt es bei den Reise- und Sicherheitshinweisen der Behörde. Reiseveranstalter haben ihre nächsten Japan-Reisen abgesagt und bieten ihren Kunden kostenlose Umbuchung bzw. Stornierung an. Lufthansa hat inzwischen ihre Flüge nach Tokio zunächst bis zum Sonntag eingestellt und leitet die Flugzeuge auf die weiter südlich gelegenen Städte Osaka und Nagoya um. Eine Sonderseite mit Lufthansa informiert über die aktuellen Flugzeiten. Lufthansa-Passagiere, die in Japan-Ticket vor dem 11. März für Reisen im März gekauft haben, können ihre Flüge bis zum 31. März kostenlos (Lufthansa Tel 01805 - 805 805) umbuchen.
Diese Frage stellte Katharina M. aus Hamburg.
Welche Regionen sind noch gefährdet? Wohin sollte ich besser nicht reisen?
Genau kann das im Moment noch niemand sagen. Vieles hängt auch davon ab, wie sich die Lage in Fukushima entwickelt und wie viel radioaktive Strahlung noch in die Umgebung gelangt. Die US-Atomkontrollbehörde NRC (Nuclear Regulatory Commission) gab am vergangenen Sonntag zunächst Entwarnung. Es sei "sehr unwahrscheinlich", dass radioaktive Strahlung von Japan in Hawaii oder auf dem US-Festland ankomme, hieß es. Aktuellere Einschätzungen gibt es bislang noch nicht. Auch in China, Kambodscha, Laos und Thailand ist laut Bundesumweltministerium momentan nicht mit erhöhten Strahlenwerten zu rechnen.
Diese Frage stellten unter anderem Wolf D. aus Berlin und Carsten K. aus Hamburg.
In einer Meldung hieß es, dass Geigerzähler ausverkauft sind. Ist es sinnvoll, so ein Gerät anzuschaffen?
Nein. Viele Verbraucher kaufen Geigerzähler in der Hoffnung, eine mögliche Belastung durch radioaktive Strahlen etwa in Lebensmitteln oder in der Luft selbst überprüfen zu können. Die Geräte kosten 300 bis 500 Euro - Geld, das man sich getrost sparen kann. "Für das niedrige Niveau der Strahlenbelastung, das in Deutschland messbar ist, sind die Geräte aber nicht genau genug", sagt Silke Schwartau. Außerdem gebe es zu viele Fremdeinflüsse, so dass die Werte keine Aussagekraft hätten. Lebensmittel müssten entsprechend aufbereitet werden. "Man kann die Geräte nicht einfach an den Fisch halten", sagt Schwartau. Die Gefahr einer radioaktiven Belastung in der Luft ist für Deutschland nicht relevant, sagen die Behörden. Dafür ist die Entfernung zu groß. "Es mehren sich die Anzeichen, dass Messstationen in Europa bereits feinste Spuren von Radioaktivität feststellen, allerdings deutlich unter einer gesundheitsbedrohlichen Schwelle", sagt Schwartau. Beim BfS können Verbraucher im Internet täglich aktuelle Messwerte für einzelne Regionen in Deutschland einsehen .
Diese Frage stellte Susanne D. aus Frankfurt.
Sonja Popovic, Lea Wolz, Björn Erichsen