Japanische Helfer haben mit Hubschraubern und Wasserwerfern versucht, im weitgehend zerstörten Atomkraftwerk Fukushima 1 den Super-GAU abzuwenden. Militärhelikopter schütteten am Donnerstag Wasser auf die beschädigten Reaktoren 3 und 4. Später wurden auch Wasserwerfer der Armee eingesetzt, nachdem ein Fahrzeug der Polizei wegen zu hoher Strahlenlast abgezogen werden musste.
Zunächst überflogen vier Hubschrauber des Typs Chinook CH-47 die Anlage und warfen tonnenweise Wasser über den Reaktoren ab, was die Strahlung jedoch kaum reduzierte. Anschließend seien zwei von fünf entsandten Wasserwerfern der Armee eingesetzt worden. Ein Polizeifahrzeug konnte demnach wegen der hohen Strahlenbelastung nicht genutzt werden. Die Wasserwerfer der Armee sind offenbar besser geeignet, weil die Helfer darin sitzen bleiben könnten und nicht, wie im Fall des Polizeifahrzeugs, aussteigen müssen.
Die Betreiberfirma Tepco versuchte indes, das Kraftwerk durch die Instandsetzung von Leitungen wieder an die Stromversorgung anzuschließen, um die Kühlsysteme von Fukushima 1 wieder in Gang zu bringen. Das französische Institut für Atomsicherheit IRSN hatte am Mittwoch gewarnt, es drohe ein "sehr bedeutender" Austritt von Radioaktivität, sollte es nicht binnen 48 Stunden gelingen, das Wasserniveau im Abklingbecken für benutzte Brennstäbe anzuheben. Weitere Arbeiten würden sonst unmöglich.
Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Strahlenschutz, Sebastian Pflugbeil, sagte dem Fernsehsender n-tv, wenn die Abkühlung nicht gelinge, könne "man praktisch nichts mehr machen". "Dann wird ein Dominoeffekt einsetzen, eine Anlage nach der anderen wird versagen, man kommt nicht mehr ran", fügte er hinzu. Ein Vertreter von Tepco sagte am Donnerstag aber, in dem Abklingbecken sei wieder Kühlwasser vorhanden.
Die Betreiberfirma startete auch einen erfolgreichen Aufruf nach etwa 20 freiwilligen Helfern. Auf das Ersuchen des Unternehmens hätten sich mehrere Experten gemeldet, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Jiji. Wirtschaftsminister Banri Kaieda warnte vor großflächigen Stromausfällen im Osten Japans. Die Situation in der Region sei auch wegen des Kälteeinbruchs schwierig, weil sich der Stromverbrauch erhöhe. Das Gesundheitsministerium forderte die örtlichen Behörden auf, Lebensmittel auf Radioaktivität zu prüfen.
Seit dem Erdbeben der Stärke 9,0 vom vergangenen Freitag ereigneten sich bislang vier Wasserstoffexplosionen und zwei Brände in vier der sechs Reaktoren des Kraftwerks Fukushima 1. Sollten die Kühlsysteme nicht wieder in Gang gebracht werden, droht eine vollständige Kernschmelze, durch die lebensbedrohlich viel Radioaktivität freigesetzt würde. Das Kraftwerk liegt rund 250 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Tokio. Laut Wetterbericht stand der Wind am Donnerstag mit Blick auf die Verbreitung radioaktiver Strahlung günstig für die Metropole.
Aufgrund des drohenden Austritts großer Mengen an Radioaktivität aus dem Kraftwerk riefen immer mehr Staaten ihre Landsleute auf, Tokio und den Nordosten Japans zu verlassen. Die französische Luftwaffe flog rund 250 Staatsbürger nach Südkorea aus. Eine zweite Gruppe Franzosen sollte demnach im Lauf des Donnerstags folgen. Die USA mieteten ganze Flugzeuge für ihre Bürger an, der Markt für Flugtickets war so gut wie leergefegt.
Präsident Barack Obama bot Japan weitere Hilfe an. Obama habe Ministerpräsident Naoto Kan in einem Telefonat gesagt, die USA seien bereit, weitere Atomexperten nach Japan zu schicken und sich mittel- und langfristig am Wiederaufbau zu beteiligen, sagte Japans Regierungssprecher Yukio Edano. Seit Anfang der Woche sind bereits mehrere US-Experten vor Ort. Laut US-Botschafter John Roos halten sich 34 Mitarbeiter der US-Atomaufsichtsbehörde in Japan auf.