Im Nordwesten von Bosnien-Herzegowina stehen Hunderte von Migranten nach der Schließung des Flüchtlingslagers Lipa kurz vor Weihnachten ohne Bleibemöglichkeit auf der Straße. Nachdem es in den vergangenen Tagen auch noch schneite, blieb den Gestrandeten nichts übrig als bei eisigen Temperaturen, teils nur mit einer Decke über den Schultern, im Schnee auszuharren. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, hausen die meisten in leerstehenden Fabrikhallen oder im Wald, denn zum Zeitpunkt der Schließung habe es keinen Plan für eine Alternativunterbringung gegeben. Hilfsorganisationen versuchen, die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen, prangern die Lage vor Ort an. US- und EU-Delegierte hätten in den vergangenen Tagen vergeblich versucht, die lokalen Behörden zur Wiedereröffnung des nahegelegenen im September geschlossenen Lagers Bira bei Bihac zu bewegen, welches mit EU-Mitteln gebaut wurde. Bislang vergebens. Die Initiative scheitere am politischen Widerstand, aber auch am Protest von Einheimischen, die keine Migranten in ihrer Nähe wollen, heißt es.
Das Flüchtlingslager Lipa war überdies unmittelbar nach der Schließung durch einen Großbrand zerstört worden. Die Polizei ging davon aus, dass das am Mittwoch ausgebrochene Feuer von früheren Bewohnern des Lagers gelegt wurde. Das Camp war wegen der dortigen katastrophalen Bedingungen geräumt worden. Die Infrastruktur des verlassenen Lagers nahe der nordwestbosnischen Gemeinde Lipa sei von den Flammen komplett vernichtet worden, sagte ein Polizeisprecher. Todesopfer habe es jedoch nicht gegeben. Der Brand sei inzwischen von der Feuerwehr gelöscht worden. "Wir nehmen an, dass es sich um eine kriminelle Tat handelt und Einwohner des Lagers dahinter stecken", sagte der Polizeisprecher.
"Moria vor unserer Haustür"
Frühere Bewohner des Lagers schauten zu, während dichter schwarzer Rauch ihren früheren Wohnort einhüllte. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hatte das Lager einen Tag vor Heiligabend geschlossen, da dieses nicht ausreichend mit Strom, Wasser und Heizwärme versorgt war. Das Lager Lipa liegt in einem unwirtlichen Gelände 25 Kilometer südöstlich von Bihac. Es war im September errichtet worden, nachdem die bosnischen Behörden die Schließung des Lagers Bira am Stadtrand von Bihac erreicht hatten. Die Flüchtlinge und Migranten sollten durch diese Maßnahme aus dem Stadtbild der 60.000-Einwohner-Stadt im Nordwesten Bosniens verschwinden.
Ihr Versprechen, Lipa an Strom und Wasser anzuschließen, lösten die Behörden nie ein. Flüchtlingshelfer kritisierten die menschenunwürdigen Zustände in dem Lager. Die österreichische Organisation SOS Balkanroute bezeichnete es als das "Moria vor unserer Haustür", in Anspielung auf das Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos, das im September abbrannte.
Die Europäische Union hatte die Lage der Flüchtlinge in Bosnien zuletzt als "alarmierend" bezeichnet. Die EU hat dem Balkanstaat seit 2018 insgesamt rund 85,5 Millionen Euro an Hilfen zur Bewältigung der Flüchtlingslage gezahlt. Anfang September war bereits das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Ägäis-Insel Lesbos durch einen Brand weitgehend zerstört worden. Die etwa 12.000 Bewohner von Moria wurden seither in einem anderen Camp untergebracht.
Quellen: Agenturen, "Süddeutsche Zeitung"