Am Wrack der 1994 gesunkenen Ostsee-Fähre "Estonia" werden neue Untersuchungen eingeleitet. Ein schwedisches Schiff stach am Donnerstag in der Nähe von Nyköping in Richtung Unglücksstelle in See, ein zweites aus Estland sollte am Abend in der Hauptstadt Tallinn aufbrechen. Das sagte der stellvertretende Generaldirektor der schwedischen Havariekommission, Jonas Backstrand, der Nachrichtenagentur DPA. Die beiden Schiffe sollten gegen Mitternacht am Unglücksort eintreffen.
Vorläufige Bewertungen mit Sonargeräten
Am Freitag sei dort eine Gedenkfeier geplant, ehe mit den Unterwasserarbeiten begonnen werde, sagte Backstrand. Dabei kommen verschiedene Sonargeräte zum Einsatz, um das Schiff und den Meeresboden zu untersuchen. Menschen werden nicht zum Wrack hinuntertauchen. Es sollen zunächst vorläufige Bewertungen angestellt werden, ehe umfassendere Untersuchungen im nächsten Frühling geplant sind. Man rechne damit, dass dann die Sicht unter Wasser besser sei, sagte Backstrand.
Dokumentarfilmer hatten im September 2019 einen Tauchroboter zum Wrack herabgelassen. Dabei hatten sie unter anderem ein mehrere Meter großes Loch im Schiffsrumpf entdeckt, wie sie vergangenes Jahr in einer Dokumentation enthüllten.

Schweden, Estland und Finnland entschieden sich gegen eine Bergung des Wracks und erklärten 1995 seinen Lageplatz in internationalen Gewässern offiziell zu einer letzten Ruhestätte, die gemieden werden muss. Schweden hat nach den Enthüllungen der Doku-Filmer gesetzliche Änderungen auf den Weg gebracht, damit Behörden die Funde genauer untersuchen können. Diese Änderungen sind zum 1. Juli in Kraft getreten.
Viele Mythen um Untergang der "Estonia"
Die "Estonia" war in der Nacht zum 28. September 1994 mit 989 Menschen an Bord auf ihrem Weg von Tallinn nach Stockholm vor der finnischen Südküste gesunken. 852 Menschen starben, nur 137 überlebten, womit der Untergang als schwerste Schiffskatastrophe in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg gilt. Die ursprüngliche Untersuchung hatte ergeben, dass bei heftigem Seegang die bereits beschädigte Bugklappe der "MS Estonia" abgerissen worden sei. Dadurch sei Wasser in das Deck eingedrungen, auf dem die Passagiere ihre Autos abgestellt hatten.
Bis heute gibt es dennoch Zweifel an der Unglücksursache. So wurde immer wieder der Verdacht geäußert, es habe eine Explosion an Bord gegeben und es sei militärisches Material mit dem Schiff transportiert worden. Überlebende und Hinterbliebene fordern seit Langem, dass die Untersuchungen wieder aufgenommen werden.