Erinnerungen Faszinierendes Gedächtnis: Wie sich unser Gehirn eine Welt baut

Künstliche Intelligenz-Technologie mit explodierendem Gehirn. Digital generiertes Bild.
Das Gehirn ist unsere zentrale Schaltung
© Getty Images
In unserem Kopf wird das Erlebte permanent sortiert, gewichtet und neu arrangiert. Was die Forschung über die Arbeitsweise des Gedächtnisses weiß.

Wie wertvoll etwas ist, wird oft erst durch seinen Verlust klar. So war es auch 1953 bei einer Operation, in die der 27-jährige US-Amerikaner Henry Molaison eingewilligt hatte. Dabei wurden ihm von beiden Schläfen aus je zur Mitte des Kopfes hin liegende Teile des Gehirns entfernt. Die radikale Behandlung sollte den Patienten von heftigen epileptischen Anfällen befreien. Tatsächlich waren seine Krämpfe nach dem Eingriff unter Kontrolle.

Zugleich aber war Molaison fortan in einen Zustand verfallen, den man als "andauernde Gegenwart" beschreiben könnte: Er war nicht mehr fähig, bleibende neue Erinnerungen zu bilden. Sätze konnte er vollenden oder zur Toilette gehen. Doch damit war der Zeitrahmen ausgeschöpft. In seinen eigenen Worten: "Jeder Tag ist allein für sich selbst." Henry Molaison starb 2008 mit 82 Jahren in einem Pflegeheim. Ein selbstständiges Leben war ihm nicht mehr vergönnt gewesen – ihm fehlte sein "episodisches Gedächtnis".

Erschienen in stern 16/2024

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