China hat am Mittwoch zum zweiten Mal nach dem historischen Erstflug 2003 eine bemannte Rakete ins All geschickt. Die Mission der Astronauten Fei Junlong and Nie Haisheng zeige "den Willen, die Zuversicht und die Fähigkeit" des chinesischen Volkes zu wissenschaftlichen Höchstleistungen, sagte Ministerpräsident Wen Jiabo.
Wie Yin und Yang
Die beiden Astronauten Fei Junlong und Nie Haisheng wirken wie Yin und Yang - die gegensätzlichen Kräfte der chinesischen Naturphilosophie, die nur zusammen ein Ganzes ergeben. Der 40-jährige Fei Junlong ist ein fröhlicher Typ, ein Macher. Der 41 Jahre alte Nie Haisheng redet wenig, ist geduldig. Der eine stammt aus einer reichen Familie, der andere war arm. Beide sind Testpiloten geworden, die in lebensgefährlichen Situationen im Cockpit einen kühlen Kopf bewiesen haben.
Als "Cowboy" beschreibt die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua Nie Haisheng, weil er aus einer armen Hirtenfamilie in Zentralchina stammt. Als sechstes von acht Kindern sei er barfuß zur Schule gegangen. Manchmal habe er die Schulgebühren nicht bezahlen können und dem Lehrer stattdessen ein Kaninchen gegeben. Fliegen sei sein Kindheitstraum gewesen.
Sein Kollege Fei Junlong wurde in eine reiche Familie in der Provinz Jiangsu geboren. Als die Luftwaffe 1982 Nachwuchs suchte, meldete er sich. Fei Junlong wurde Fluglehrer und untersuchte Flugunglücke. Auf einem Testflug im Juli 1992 ging ihm der Treibstoff aus. Er blieb ruhig, steuerte die Maschine zurück und machte ohne einen Tropfen Benzin eine Notlandung.
Auch Nie Haisheng musste eine brenzlige Situation meistern: Bei einem Testflug 1989 war ihm in 4000 Meter Höhe das Triebwerk ausgefallen. Als seine Maschine schnell an Höhe verlor, weigerte er sich, mit dem Fallschirm auszusteigen, und konnte das Flugzeug nur 400 bis 500 Meter über der Erde doch noch unter Kontrolle bringen.
Hunderte Millionen Chinesen verfolgten den Start des "Shenzhou"-Raumschiffs im Fernsehen und auf Großbildleinwänden. China ist nach Russland und den USA erst das dritte Land, das Menschen ins All gebracht hat. Die neue Mission soll Medienberichten zufolge fünf Tage dauern und ist damit wesentlich länger und riskanter als der erste bemannte Weltraumflug eines Chinesen vor knapp zwei Jahren. Damals blieb ein Astronaut 21,5 Stunden im All. Fei und Nie sollen dagegen etwa 80 Mal die Erde umkreisen.
Aufstrebende Weltmacht
"Wir fühlen uns ganz gut", funkte Fei aus dem All. Ministerpräsident Wen hatte die Astronauten, die in China "Weltraumreisende", Taikonauten, genannt werden, kurz vor dem Start besucht. Das Raumschiff erreichte nach 23 Minuten seine Umlaufbahn. Wei sagte: "Shenzhou 6, die weltweite Aufmerksamkeit erregt hat, ist erfolgreich gestartet." Das Abheben der Rakete "Langer Marsch" vom Raumfahrtzentrum Jiuquan in der Wüste Gobi wurde erstmals im Fernsehen übertragen, was die Zuversicht der chinesischen Führung in die Zuverlässigkeit der Technologie demonstrierte.
Jubelnde Schulkinder verfolgten den Start im Klassenzimmer. Peking will mit seinem Raumfahrtprogramm seinen Anspruch als aufstrebende Weltmacht untermauern und patriotische Gefühle schüren, die das Ansehen der Kommunistischen Partei aufpolieren sollen. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, die Astronauten sollten während ihres Fluges ihre zehn Kilogramm schweren Raumanzüge ausziehen, um zwischen den beiden Hälften ihres Raumschiffs - einer Landekapsel und einem Orbiter - zu wechseln.
2010 ist eine Mondlandung geplant
Die Shenzhou-Kapsel ("Göttliches Gefährt") basiert auf der russischen Sojus-Technologie. China hat auch Technik für Raumanzüge, lebensunterstützende Systeme und anderes Zubehör in Moskau eingekauft, betont aber zugleich, dass alle ins All geschickten Teile in China hergestellt worden seien. Pekings Raketenprogramm begann in den 50er Jahren. 1970 brachte das Land den ersten Satelliten ins All und transportiert derzeit mit seinen "Langen-Marsch"-Raketen regelmäßig Nutzlast auch für ausländische Kunden.
2010 soll ein unbemanntes chinesisches Raumschiff auf dem Mond landen, weitere Pläne sehen den Bau einer Raumstation vor. Im Fernsehen wurde gezeigt, dass Präsident Hu Jintao den Start in einem Kontrollzentrum in Peking verfolgte. Auf einem Platz nahe dem Hauptbahnhof versammelten sich hunderte Menschen, um das Abheben der Rakete auf einer Großbildleinwand zu verfolgen. Die Identität der beiden Astronauten wurde erst Stunden vor dem Start enthüllt. Fei und Nie wurden laut Xinhua aus sechs Kandidaten ausgewählt.
Ausländische Reporter waren nicht zugelassen
Der erste Chinese im All, der frühere Kampfpilot Yang Liwei, genießt den Status eines Nationalhelden. Ausländische Berichterstatter wurden vom Weltraumbahnhof fern gehalten. Eine Hand voll chinesischer Journalisten durfte den Start von dort verfolgen. Das Fernsehen zeigte Bilder der Astronauten, die bei leichtem Schneefall in einen Bus stiegen, der sie zur Rakete brachte. Sie winkten Technikern zu, die chinesische und militärische Fahnen hielten. "Wir erwarten Eure triumphale Rückkehr. Auf Wiedersehen!", übermittelte ein Techniker im Kontrollzentrum den Astronauten Minuten vor dem Start.
Stephanie Hoo/AP