Die Bahnfahrt im Nachtzug Anfang September endete für einen Reisenden mit einem bösen Erwachen: Auf der Fahrt von München nach Rom hatten ihn Bettwanzen gebissen. Wegen des Parasitenbefalls stoppte die Bahn den City Night Line und tauschte den betroffenen Wagen aus. Erst nach 90 Minuten ging die Fahrt weiter. Bei der Deutschen Bahn handelt es sich nach Angaben des Konzerns um einen Einzelfall. Er zeigt aber zusammen mit anderen Vorfällen, dass die Bettwanze auf dem Vormarsch ist und sich nur schwer stoppen lässt.
Wer den wissenschaftlichen Namen hört, ekelt sich nicht so schnell: Cimex lectularius klingt einfach besser als Bettwanze. Mit ihrem pyramidenförmigen Kopf, den Antennen und einem versteckten Rüssel ähneln die rotbraunen Insekten den Zecken. Sie sind weltweit verbreitet, bevorzugen allerdings gemäßigtes und tropisches Klima. In bewohnten, geschlossenen Räumen nisten sich die Wanzen ein und verstecken sich dort vor allem in Matratzen, Spalten und hinter Tapetenrändern. Angelockt werden die ungefähr sechs Millimeter großen Wanzen, die sich von menschlichem Blut ernähren, von Körperwärme, Kohlendioxid und Körpergeruch. In Labortests haben Forscher herausgefunden, dass Bettwanzen bis zu einem Jahr ohne Nahrung überleben können.
Die kleinen Blutsauger waren Jahrzehnte lang fast verschwunden. Doch mittlerweile sind sie unter anderem in den USA und Deutschland zu einer Plage geworden. Was weiß man eigentlich über diese Parasiten? Bisher erstaunlich wenig.
Eine gemeinsame Erklärung der amerikanischen Seuchenbehörde CDC und der US-Umweltbehörde EPA, die im August veröffentlicht wurde, bringt das Problem auf den Punkt: "Bettwanzen-Forschung hat in den vergangenen Jahren nur sehr begrenzt stattgefunden", heißt es darin gleich zweimal. Da sich nur eine Handvoll Wissenschaftler mit diesen Insekten beschäftigt, sind noch viele Fragen offen.
Warum waren diese Parasiten so lange fast vollständig verschwunden? Warum gibt es seit Ende der neunziger Jahre wieder einen Bettwanzen-Boom? Und warum übertragen sie im Gegensatz zu anderen Parasiten keine Krankheiten?
Die Rückkehr des Parasiten
"Bettwanzen gab es sicherlich durchgehend in Deutschland. Aber nicht als ernstzunehmendes Problem", sagt Jutta Klasen vom Umweltbundesamt. In der Nachkriegszeit war der Bestand an Bettwanzen durch den Einsatz von Insektiziden stark geschrumpft. Besonders DDT sorgte dafür, dass die Wanzen nahezu verschwanden. Vor allem amerikanische Schädlingsbekämpfer machen das Verbot des Insektizids dafür verantwortlich, dass sich die Wanzen wieder ausbreiteten. Allerdings ist diese These umstritten. "Gegen diesen Wirkstoff gab es schon lange vor dem vermehrten Wiederauftauchen der Wanzen Resistenzen", sagt der Schädlingsexperte Erik Schmolz vom Umweltbundesamt. Die Zunahme werde daher kontrovers diskutiert.
Eine wahrscheinliche Erklärung ist, dass die Menschen in den letzten Jahrzehnten immer mobiler geworden sind. So können Bettwanzen im Gepäck von Reisenden eingeschleppt werden. Da sie sich auch in Gegenständen verstecken, sei unter anderem der Handel mit gebrauchten Waren wie Möbeln, CDs oder Bildern verantwortlich für die Verbreitung der Wanzen. Von einem plötzlichen "Boom" sprechen Experten aber nicht. "Bettwanzen sind schon seit ungefähr 12 bis 15 Jahren in Deutschland auf dem Vormarsch. Die ersten Jahre war es nur nicht so in der Öffentlichkeit", sagt Klasen.
Keine Krankheitsüberträger
Die Wanzen geben den Forschern noch weitere Rätsel auf. Andere Parasiten wie Mücken, Läuse oder Zecken übertragen Krankheiten. Früher wurden auch Bettwanzen mit mehr als 40 Krankheiten wie der Pest, Gelbfieber oder Tuberkulose in Verbindung gebracht. Obwohl Wissenschaftler nachweisen konnten, dass die Blutsauger zwar mit vielen Erregern infiziert werden können, bestätigt bisher keine Studie, dass sie diese auch übertragen.
Um zu untersuchen, ob von Bettwanzen ein Krankheitsrisiko ausgeht, werteten die Dermatologen Jerome Goddard und Richard deShazo von der Universität in Jackson im US-Bundesstaat Mississippi die wenigen experimentellen Studien aus, die es zu Bettwanzen gibt. Sie durchforsteten Datenbanken, Zeitungsartikel und Handbücher, fanden aber nur 53 Hinweise auf eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den kleinen Blutsaugern. In einer Studie infizierten Forscher die Parasiten mit dem Hepatitis-B-Virus und setzten sie auf Schimpansen an. Die Krankheit übertrug sich aber nicht. In einem ähnlichen Experiment fütterten Forscher Bettwanzen mit HIV-infiziertem Blut. Das Virus überlebte acht Tage und starb dann ab. "Die Angst, sich durch Wanzen mit Infektionskrankheiten zu infizieren, dürfte deshalb unberechtigt sein", schreiben die Forscher in ihrer Studie.
"Das Wissen über Bettwanze ist zurückgegangen", sagt Schmolz. Da hilft nur eins: forschen. Besonders wichtig sei es festzustellen, ob die Parasiten doch Krankheiten übertragen könnten, schreiben Goddard und deShazo. Und auch in der gemeinsamen Erklärung der amerikanische Seuchenbehörde CDC und der Umweltbehörde EPA heißt es: "Da Bettwanzen sich wieder sehr schnell vermehren, ist zusätzliche Forschung nötig." Denn noch geben die kleinen Bettwanzen den Wissenschaftlern große Rätsel auf.