Nach einem monatelangen Tauziehen ist der Weg für Europas Antwort auf das US-Navigationssystem GPS (Global Positioning System) unter Dach und Fach. Zu Weihnachten 2002 schien das milliardenteure 'Galileo'-Netz aus 27 künstlichen Himmelskörpern an einem heftigen Gerangel zwischen Berlin und Rom um Sitz, Führungsrolle und Industrieaufträge zu scheitern. In den Monaten nach der schwierigen Einigung, die Deutschland dann doch den Hauptsitz der Galileo Industries einbrachte, stellte sich Madrid wegen der Finanzierung noch einmal quer. Eine Verwaltungsratssitzung der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in Paris legte auch den Streit jetzt bei - Europa kann sich von dem GPS-System frei machen.
Unabhängig vom amerikanischen GPS
Die Europäer schicken sich mit 'Galileo' - Kosten: 3,5 Milliarden Euro - an, im Jahr 2008 mit eigenen Satelliten und leistungsstarken Bodenstationen die Unternehmer und Verbraucher unabhängig von GPS zu machen, das vom US-Verteidigungsministerium betrieben wird. Alle 15 ESA-Mitgliedstaaten wissen um die wirtschaftliche, industrielle und auch strategische Bedeutung des Projektes, das 140 000 Arbeitsplätze schaffen und das Investierte um ein Mehrfaches zurück in die Kassen bringen soll. Sonst hätte Washington auch nichts anfangs versucht, die Europäer davon abzubringen - denn so ein System kann doch auch militärisch genutzt werden. Und es bricht vor allem das US-Monopol.
Das teuerste Projekt der EU
Länder wie Großbritannien und Deutschland wollten ursprünglich keine Geld "in ein Fass ohne Boden werfen" - ist 'Galileo' doch das teuerste Projekt der Europäischen Union (EU) und wird der Dreh- und Angelpunkt eines künftigen europäischen Verkehrsmanagements aus der Luft sein. Und für die Deutschen lohnt es sich, jetzt in dem Lager der Befürworter zu sein, bekommen sie doch die industrielle Leitung sowie die Projektverantwortung für den Bau der 'Galileo'-Satelliten. Allein die Anschubfinanzen betragen (bis 2005) 1,1 Milliarden Euro.
Der Hauptsitz wird in der Nähe von München liegen
Der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (Berlin) sprach von einem "klaren Erfolg" und einer engagierten Verhandlungsführung der Bundesregierung. "Jetzt wird der Startschuss für eines der ehrgeizigsten gemeinsamen Technologieprojekte unseres Kontinents gegeben und Deutschland wird die industrielle Führung übernehmen", sagte der Präsident des Bundesverbandes, Rainer Hertrich. Nach der Finanzierungsentscheidung für das europäische Satelliten-Navigations-Systems Galileo soll die Errichtung des Hauptsitzes bei München in den nächsten Wochen beginnen.
Dreh- und Angelpunkt im europäischen Verkehr
Europas neue Argusaugen werden den Heimatplaneten in einer Höhe von genau 23 616 Kilometern umkreisen und beobachten. Flugzeuge sowie Schiffe und Autos können präzise und sicher gesteuert oder geortet werden. 'Galileo' kann, überwacht von zwei Kontrollzentren, auch in der Landwirtschaft, für die Umweltpolitik oder bei Suchdiensten eingesetzt werden. Das Geschäft, das EU und ESA gemeinsam auf die Beine stellen, verspricht äußerst lukrativ zu werden - der Weltmarkt für die Satelliten-Navigation wird auf mehr als 40 Milliarden Euro geschätzt. "Wir müssen unsere Interessen verteidigen", hatte die ESA von den Ländern verlangt. Immerhin kurbelt Europas Großvorhaben im Weltraum auch die gegenwärtig eher marode Satellitenproduktion an.