Ökobilanz Macht Wasserstoff die Lastwagen sauber?

Wasserstoff
Könnte man in Zukunft öfter sehen: Schild Symbol für Wasserstoff-Tankstelle
© Bernd Weißbrod / DPA
Sie schleichen, sie lärmen, sie stinken: Zumindest Letzteres können Lkws reduzieren, wenn sie mit E-Antrieb fahren. Doch der Fortschritt dauert.

Schon vor einem halben Jahrhundert trieben Lkws viele Autofahrer zur Weißglut, weil sie über den Asphalt schleichen, höllisch lärmen und die gute Luft verpesten. Deshalb startete das dieselgetriebene Transportgewerbe 1971 eine Sympathiekampagne. Als Maskottchen wurde ein rot-schwarz gekleideter, bedenklich adipös wirkender Lkw-Fahrer gezeichnet, der sich statt auf Beinen auf sechs Rädern fortbewegt. Er trägt bis heute den allzu putzigen Namen "Brummi". Inzwischen gibt es Brummi auch in weiblich, nun wünscht auch "Brummhilde" allen Pkw-Fahrern von Plakaten herab "Gute Fahrt".

Die Laster, die Zeugen unserer ungebremsten Wachstums- und Konsumlust, nerven aber weiter. Es gibt immer mehr von ihnen, und sie legen immer größere Strecken zurück. In Deutschland sind es jährlich rund 35,8 Milliarden Kilometer. So schädigen sie zunehmend das Klima, obwohl ihr Dieselverbrauch seit den 70er-Jahren um etwa 40 Prozent zurückgegangen ist. Laut neuen Studien sind Lkws für rund zehn Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich.

Experten sagen: In einer arbeitsteiligen Welt lassen sich Lkws nicht einfach ersetzen – bei aller Träumerei von Gütertransport per Bahn oder einem verstärkten Absatz von regionalen Waren. Deshalb suchen die Hersteller nach neuen und klimaneutralen Antriebsformen. Die Lösung scheint nun gefunden zu sein: Sauberer Wasserstoff (H₂) soll Diesel ersetzen. Sind wir also bald ein gewaltiges Klimaproblem los?

Ein paar Probleme gibt es noch zu lösen

Tatsächlich fällt die Ökobilanz für Wasserstoff in Transportern sehr gut aus – wenn er nachhaltig hergestellt wurde, also per Elektrolyse mit Strom aus Sonne, Wind oder Wasserkraft. Laut der Organisation International Council on Clean Transportation (ICCT) liegen die Emissionen eines umweltfreundlichen H₂-Lkws bis zu 89 Prozent unter denen eines dieselbetriebenen Fahrzeugs. Bei blauem Wasserstoff, gewonnen aus Erdgas, beträgt die Verbesserung immerhin 15 bis 33 Prozent. Tendenziell gehen Hersteller wie Daimler Truck und Volvo deshalb davon aus, dass H₂-Power den Fernverkehr dominieren wird. Für Transporter, die ausschließlich Waren auf kurzen Strecken ausliefern, dürfte sich dagegen der effizientere Batterieantrieb durchsetzen. Was heißt kurz? Daimler will 2024 seinen 40-Tonner eActros produzieren, der mit einer Akkuladung bis zu 500 Kilometer Reichweite schafft. Bei der Akkutechnik werden rund 80 Prozent des eingesetzten Stroms in Bewegung umgewandelt, bei der Brennstoffzelle gelingt das nur zu maximal 35 Prozent.

Für gehetzte Trucker, die täglich Kilometer fressen, bietet Wasserstoff einen entscheidenden Vorteil: Sie brauchen keine schweren Akkus mitzuschleppen und können binnen Minuten nachtanken. Der Wasserstoff wird an Bord mithilfe einer Brennstoffzelle zu Strom gewandelt und treibt einen Elektromotor an. Eine Tankfüllung reicht für 800 und mehr Kilometer.

H₂ für Lkws sowie für Schiffe und Flugzeuge – das klingt zielführend für den Klimaschutz. Aber es ist kaum abzuschätzen, wie schnell der Weltmarkt grünen Wasserstoff zu bezahlbaren Preisen bereitstellen kann; gerade im Güterverkehr zählt jeder zehntel Cent. Eine italienische Studie geht davon aus, dass die europäischen Langstrecken-Lkws schon deshalb bis 2030 vorwiegend mit Gas (CNG und LNG) betankt werden, das nur leicht klimafreundlicher ist als Diesel. Der Batterieantrieb für kleinere Laster setze sich dagegen schneller durch.

Bevor Wasserstoff-Lkws über Autobahnen und Landstraßen rollen können, muss ein weiteres Problem gelöst werden: Es gibt viel zu wenig Tankstellen für sie. Bis 2030, so die Transportbranche, werden europaweit mindestens 1000 davon gebraucht. Die existierenden gut 100 deutschen H₂-Zapfstellen können bauartbedingt fast nur von Pkws genutzt werden. Dabei ist die Zukunft für Pkws mit Wasserstoffantrieb schon beendet, bevor sie begonnen hat. Mangels Effizienz. Der Energieriese BP beziffert ihren zukünftigen Marktanteil auf: null.

Welche Ökobilanz sollen wir für Sie aufstellen? Schreiben Sie uns: oekobilanz@stern.de

Erschienen in stern 43/23

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