"Wer monokausal den CO2-Ausstoß für die Flut verantwortlich macht, verlässt wissenschaftlich und politisch jeden seriösen Boden. Auch in früheren Jahrhunderten gab es solche Katastrophen immer wieder, mehr Klimaschutz wird sie nicht verhindern."
So lautet ein Tweet von Friedrich Merz vom 21. Juli. Der verhinderte Kanzlerkandidat der Union reiht sich mit diesen Worten geradezu beispielhaft ein bei jenen Politikern und sonstigen Entscheidungsträgern, für die der renommierte US-Klimaforscher Michael Mann in seinem Buch "Propagandaschlacht ums Klima" den Begriff "Inaktivisten" geprägt hat. Nicht erst seit dem jetzt vorgelegten neuen Weltklimabericht ist es praktisch unmöglich, den Klimawandel noch zu leugnen. Deshalb lenken Leute wie Merz lieber ab, versprechen Lösungen für den Sankt Nimmerleinstag, beschwichtigen einfach oder formulieren klimafreundliche Absichtserklärungen, so Mann. Unterm Strich steht aber in jedem Fall: Weder die Ursachen des Klimawandels werden angegangen, jedenfalls nicht in der gebotenen Eile und Konsequenz, noch wird allzu viel dafür getan, sich dem Wandel anzupassen.
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Klimaschutz: Genau jetzt muss etwas geschehen
Merz ist durch den neuen Weltklimabericht nun sozusagen "wissenschaftlich und politisch" widerlegt. Das ist aber eigentlich nicht einmal eine Randnotiz wert. Denn um solche Tändeleien können wir uns jetzt nicht mehr kümmern. Die Zeit wird nun wirklich knapp; das hat der Report des Weltklimarates (IPCC) nur allzu klar gemacht. Die Erde heizt sich schneller auf als ohnehin schon befürchtet und was man schon lange hätte wissen können, wenn man es denn hätte sehen wollen, ist nun laut Klimarat klar und eindeutig nachvollziehbar: Der Klimawandel ist menschengemacht und Katastrophen wie die verheerende Flut im Ahrtal und an der Erft oder die enorme Hitze im Westen der USA und Kanadas oder die schlimmen Brände in Griechenland, Italien und der Türkei sind auf diese Klimaveränderungen zurückführbar.
Alle Fragen nach dem Ob, dem Wer und dem Wann sind damit auf einen Schlag überflüssig geworden. Auch Schuldzuweisungen an die, die das Thema Klimaschutz in den vergangenen Jahrzehnten verschleppt, verdrängt, geleugnet oder ins Lächerliche gezogen haben, sind nun nicht mehr relevant. Denn jetzt, genau jetzt muss etwas geschehen. Der Report des IPCC ist eine drängende Aufforderung zu handeln – an uns alle, aber vor allem an alle Entscheidungsträger, die den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft planen, gestalten und verantworten können und müssen. Jeder einzelne von uns kann dabei mithelfen, aber die großen Wirkungen werden nicht im persönlichen Bereich, sondern auf nationaler und internationaler Bühne erzielt. Die G20, die Gruppe der größten Industrie- und Schwellenländer, sind somit gefordert. Sie sind für 80 Prozent der bisherigen Emissionen verantwortlich; sie können mithin dem Klimawandel spürbar entgegenwirken – so sie es wollen.
Herkulesaufgabe ohne Alternative
Der CO2-Ausstoß muss drastisch heruntergefahren werden; auch der Ausstoß von Methan muss vermindert werden – und zwar innerhalb des schon laufenden Jahrzehnts. Das geht nur mit einer raschen Abkehr von Kohle, Öl und Gas, einem beschleunigten Ausbau von Windkraft und Sonnenenergie, der Suche nach und Entwicklung von weiteren klimafreundlichen Energieträgern wie grünem Wasserstoff, der Hinwendung zu alternativen Baustoffen und der Veränderung von Produktionsweisen bis hin zur Viehhaltung (Stichwort Methan). Um das zu schaffen werden die Innovationskraft der Wirtschaft, der Gestaltungswille in der Politik und unser aller Verständnis und Akzeptanz benötigt.
Das klingt unrealistisch. Das klingt nach einer Herkulesaufgabe. Dass das so ist, ist der jahrzehntelangen Vogel-Strauß-Politik geschuldet. Doch der Weltklimarat hat mehr als deutlich gemacht, dass wir keine Alternative haben. Es geht schlicht um unseren Lebensraum. Das viel zitierte Pariser Ziel von 1,5 Grad Erwärmung scheint jetzt schon kaum noch erreichbar. Doch das darf nicht bedeuten, die Flinte ins Korn zu werfen. Trotz allem ist es noch möglich, die Folgen des Klimawandels einzudämmen. Und das ist nötig. Denn kaum jemand wagt sich auszumalen, was bei einer globalen Erwärmung über 2 Grad oder höher geschehen wird. Doch die Flutkatastrophe an Ahr und Erft dürfte darauf nur ein schaler Vorgeschmack sein – in Leid und Kosten.
Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht, lautet ein Sprichwort. Unser Krug hat schon gewaltige Risse. Wehe wenn er bricht.