Nach Vorfall an Schule "Die Schlandpfe": Wie ein Schlumpf-Video zum rechten Propagandafilm wurde

AfD: Aus den harmlosen Schlümpfen werden die vom "technokratischen Neofeudalimus" unterdrückten "Schlandpfe"
Aus den harmlosen Schlümpfen werden die vom "technokratischen Neofeudalimus" unterdrückten "Schlandpfe" – durch KI und Deepfake-Techniken
© Collage: stern; Fotos: Die Schlümpfe und die Zauberflöte / FlamingText.com
Erst wirbt eine Schülerin mit den Schlümpfen für die AfD. Dann taucht ein weiteres Video auf, in dem Schlumpfhausen zum "besetzen Deutschland" wird. Wer dahintersteckt – und warum sich die blauen Wesen für rechte Zwecke eignen.

Schlumpfine würde AfD wählen. Das jedenfalls ist die Botschaft eines populären Internet-Videos. Der Zeichentrick-Clip zeigt die eigentlich unpolitischen Schlümpfe als unter "Komplettüberwachung" und "Bevölkerungsaustausch" leidende "Schlandpfe" – und demonstriert, wie Rechtspopulisten aus Kinderserien Propagandafilme machen.

Schon im Intro des Videos wird klar: Aus dem idyllischen Schlumpfhausen ist eine Art Reichsbürgerkommune geworden. Eine Erzählerstimme beginnt zu sprechen: "In einem Land, das vor kurzem noch eine starke Wirtschaft und genug Wohlstand für alle hatte, ist plötzlich der Wurm drin." Eigentlich beginnt eine Folge der Schlümpfe mit einem anderen Satz, die Stimme ist aber die des Originalsprechers Jochen Striebeck.

Der Macher des Videos hat Striebecks Stimme mithilfe eines KI-Programms geklont und kann sie jeden beliebigen Satz sagen lassen – auch rechte Propaganda. So hätten zum Beispiel dunkle Mächte von der Seele des Landes Besitz ergriffen und versuchen es nun von innen zu zerstören. "Alles muss hier anders werden", ruft Bösewicht Gargamel von seinem Turm hinunter. "Mann ist Frau und Frau ist Mann, Pronomen für Gemüse und Teppiche, Hormontherapie für Kinder."

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Das sind die Codes der neuen Rechten

Der böse Zauberer verkörpert die "Woke-Diktatur", in der die neue Rechte Deutschland wähnt, die Schlümpfe stehen für die AfD und ihre Wähler, die den "technokratischen Neofeudalimus" aufhalten wollen.

Wie die Schlümpfe zu AfD-Maskottchen wurden

Das Video ist von der Facebook-Seite "Snickers für Linkshänder" veröffentlicht worden, die von dem Satiriker Willy Kramer betrieben wird. Kramer arbeitete mal für das Satiremagazin "Extra 3", während der Corona-Pandemie driftete er ab. Heute sieht er die Welt "in eine astreine Shitshow mit Premiumzugang" verwandelt. Die menschliche Seele sei einer systematischen rektalen Vergewaltigung ausgesetzt.

Seine Posts beinhalten Verschwörungstheorien und Fake News, ein Großteil seiner Statements wirkt wirr. Am liebsten erstellt Kramer Deepfakes. Das sind durch KI verfälschte Bilder und Videos von Politikern, Prominenten, Filmhelden – und jetzt eben den Schlümpfen.

Dass die Schlümpfe nun als AfD-Maskottchen missbraucht werden, ist kein Zufall: Ende Februar wandte sich der Schulleiter des Richard-Wossidlo-Gymnasiums in Ribnitz-Damgarten (Mecklenburg-Vorpommern) mit einem ähnlichen Fall an die Polizei. Eine 16-jährige Schülerin hatte unter anderem ein Video mit dem Titel "Die Schlümpfe und Deutschland haben was gemeinsam" auf Tiktok gepostet. Beide – so die Aussage des Videos – seien blau, die Farbe der AfD.

Der Auftritt der Jugendlichen in den sozialen Medien wirkte insgesamt, als drifte sie nach rechts ab. Durch die Kontaktaufnahme zu den Behörden habe der Schulleiter dies vermutlich abwenden wollen. Die Polizei reagierte eher unglücklich: Es kam zu einer Art Gefährderansprache am Rande des Unterrichts. Zwar bat der Schulleiter die Jugendliche aus dem Klassenzimmer, ohne dass ihre Mitschüler die Polizei bemerkten, deren Anwesenheit machte dennoch die Runde. Rechte Medien und die AfD schlachteten den Vorfall als "Schlumpf-Skandal" aus.

Bei den Schlandpfen sind Journalisten Denunzianten

Seitdem erfreuen sich die kleinen blauen Wesen großer Beliebtheit in den rechten Ecken des Internets. Das Video über die "Schlandpfe" hat nach sechs Tagen über 80.000 Aufrufe auf Youtube, bei Facebook ist es ähnlich populär. Die Folge trägt den Titel "Der Denunziant".

Die Schlandpfe haben sich auf dem Dorfplatz versammelt, Anführer Papa Schlandpf hält eine Rede: "So wie es aussieht, will Gargamel die Dynamik unserer erfolgreichen Bauernproteste unterwandern, indem er strategisch platzierte Propaganda über demokratieschädigende Aktivitäten veröffentlicht." Der Satz ist Nonsens, die Aussage aber klar: Die Regierung ist böse.

Dann warnt Papa Schlandpf seine Schützlinge vor einem Denunzianten in den eigenen Reihen. "Das Ziel ist – wie immer – die Bevölkerung weiter zu spalten", so die mit KI gefälschte Theorie des Dorfältesten. Der Denunziant entpuppt sich in der nächsten Szene als ein Journalist des Mediums Correctiv, das im Januar eine große investigative Recherche zum Geheimtreffen der AfD veröffentliche. Damit endet der zweiminütige Clip.

Sind die Schlümpfe Nazis?

Unabhängig von den aktuellen Schlumpf-Videos: Die 1958 von Pierre Culliford alias Peyo erfundenen Figuren stehen schon länger latent unter Nazi-Verdacht. Neben diversen Websites und Forenbeiträgen, die sich dem Thema widmen, veröffentlichte der französische Politikwissenschaftler Antoine Buéno 2011 "Das kleine blaue Buch", das faschistische Symbole bei den Schlümpfen untersucht.

Buéno, Dozent an der Universität Sciences Po in Paris, vergleicht die Welt der Schlümpfe mit einer totalitären Utopie, die an den stalinistischen Kommunismus (Papa Schlumpf trägt ein rotes Kostüm und ähnele Stalin, während Schlaubi Trotzki ähnele) und den Nationalsozialismus erinnere (die Figur des Gargamel sei eine antisemitische Karikatur eines Juden). In der Geschichte "Die schwarzen Schlümpfe" werden die Schlümpfe von einer Fliege gebissen, die ihre Haut schwarz färbt und sie unfähig macht zu sprechen. Dies habe rassistische und koloniale Untertöne, so Buéno.

Schlümpfe
Happy Birthday Schlümpfe!
Rassistische Elemente: Sind die Schlümpfe Nazis?

Das Buch sei keine wissenschaftliche Arbeit, eher ein Aufruf zu "amüsierter Wachsamkeit", erklärte sich der Autor, nachdem sein Buch für viel Empörung gesorgt hatte. Tatsächlich liebe er die Schlümpfe – so wie die neue Rechte auch.